Verborgene Liebesglut
„Thomas, wie schön, daß du noch einmal vorbeischaust. Wird Wilcox auch gleich kommen? Ich warte schon den ganzen Tag auf seinen Besuch."
Obwohl Philippe immer noch recht mitgenommen wirkte, hatte er inzwischen etwas Farbe im Gesicht. Auch seine Stimme klang nicht mehr ganz so schwach wie am Morgen. Anscheinend hatte ihm der Doktor etwas von der stärkenden Medizin verabreicht. Erwartungsvoll blickte er Major Livingston an. Dieser setzte sich an die Bettkante und räusperte sich verlegen. „Nun Philippe", begann er zu sprechen. „Ich bin gekommen, um dir einige Dinge mitzuteilen. Weißt du, Wilcox ist im Augenblick sehr beschäftigt. Leider wird er heute keine Zeit haben, um dich aufzusuchen."
Das freudige Glänzen in Philippes Augen war sofort erloschen. „Ich verstehe", murmelte er nach einem Augenblick enttäuscht.
„Sei doch nicht traurig, mein Lieber. Wilcox ist deinetwegen unterwegs." Der Major blickte den jungen Patienten aufmunternd an. Er konnte nicht anders, als zu dieser kleinen Notlüge zu greifen. Philippe hatte eine schwere Zeit hinter sich. Man mußte sehr behutsam mit ihm umgehen.
„Was meinst du damit? Warum ist er meinetwegen unterwegs." Philippe gab sich Mühe, seiner Stimme einen fröhlichen Klang zu verleihen.
„Nun", erwiderte der Major, „das führt mich zu der nächsten Botschaft, die ich für dich habe. Ich fürchte, auch diese wird dir nicht gefallen."
„Wieso?" Ängstlich blickte der junge Mann ihn an.
„Wird Lady Fairfax zurückkehren?"
„Nein, mach dir deswegen keine Sorgen", versicherte der Major eilig. „Dennoch hat es etwas mit ihr zu tun. Es betrifft deine Reise nach Trousham."
„Wann geht es endlich los?” Philippes Wangen glühten vor Freude. „O Thomas! Wie ich mich darauf freue, das Meer zu sehen! Ich werde den ganzen Tag mit Wilcox am Strand entlangreiten. Wir werden angeln, in den Dünen liegen und frischen Fisch essen. Das wird herrlich!"
„Sachte, sachte!" Major Livingston versuchte, den Begeisterungsausbruch von Philippe zu zügeln. „Wilcox wird uns nicht begleiten."
„Wie bitte?" Ein verständnisloses Lächeln lag auf den Lippen des jungen Mannes.
Um der schlechten Botschaft ein wenig von ihrem Stachel zu nehmen, versicherte der Major ihm jedoch, der Lord werde so bald wie möglich nachkommen. Sicher würde es nicht länger als zwei oder drei Monate dauern.
„Zwei oder drei Monate?" flüsterte Philippe tonlos. „Aber Thomas, das ist so furchtbar lang. Wilcox wird mich in dieser Zeit vergessen haben." Er wandte sich ab, um die Tränen zu verbergen, die ihm in die Augen traten.
Voller Mitleid betrachtete Livingston das kummervolle Gesicht des jungen Mannes. Nach einem Augenblick begann Philippe erneut zu sprechen. Er bemühte sich, so gefaßt wie möglich zu klingen. Dennoch konnte der Major ein leichtes Zittern in seiner Stimme bemerken.
„Ich bin sehr froh, daß du mich begleiten wirst, Thomas", erklärte Philippe tapfer.
Mit seinem herzlichen Lachen versuchte der Major die trübe Stimmung etwas aufzulockern. „Du hast recht, Philippe", antwortete er. „Wenn man so jung ist wie du, erscheint einem diese Zeitspanne furchtbar lang. Ist man jedoch so alt wie ich, weiß man, daß zwei bis drei Monate im Nu vergehen. Uns beiden wird sicher etwas einfallen, um uns über die Abwesenheit Seiner Lordschaft hinwegzutrösten. Ich schwöre dir, Philippe, bevor du es überhaupt bemerkst, wird die Zeit schon vergangen sein."
Der junge Franzose war nicht recht überzeugt. Dennoch schien der fröhliche Tonfall, den der Major anschlug, seine Wirkung nicht zu verfehlen. Allmählich hatte er Philippe soweit, sich mit der Notwendigkeit der Situation abzufinden. Und schließlich konnte er sogar Pläne für den gemeinsamen Aufenthalt in Trousham schmieden, anstatt Trübsal zu blasen.
Als er das Krankenzimmer verließ, hatte der Major den Eindruck, seine Aufgabe recht gut erledigt zu haben. Bevor er die Tür schloß, warf er einen letzten Blick auf Philippe, der, seinen Gedanken nachhängend, in die Kissen zurücksank.
Als Philippe am nächsten Morgen erwachte, schien die Sonne bereits hell in sein Zimmer. Es mußte wohl noch sehr früh sein, doch er hatte keine Lust, länger liegen zu bleiben. Vorsichtig verließ er das Bett, um auszuprobieren, ob er heute etwas stärker auf den Beinen war.
Im Licht des neuen Tages verblaßte die gestrige Enttäuschung. Zuversichtlich rief Philippe sich die Worte des Majors ins Gedächtnis, Wilcox handele nur zu
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