Verborgene Liebesglut
Seitenblick auf den Lord.
„Natürlich geht es mir gut", gab Wilcox zurück. „Hast du Grund zu der Annahme, das Gegenteil wäre der Fall?" Während er sprach, wich er dem offenen Blick des Majors aus und betrachtete nachdenklich die Spitzen seiner blankpolierten Schaftstiefel.
„Ich weiß nicht", antwortete der Major. „Die Nachtwache bei Philippe scheint dich ermüdet zu haben. Du wirkst so ... ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, so abwesend."
„Du hast recht." Wilcox wandte sich ab. „Ich bin in der Tat noch etwas mitgenommen von der Nacht."
„Du solltest dich ausruhen, mein Bester", riet der Major. „Nachdem wir Philippe einen Besuch abgestattet haben, werde ich dir einen steifen Brandy verabreichen und dich für ein paar Stunden ins Bett schicken."
Wilcox schüttelte den Kopf. Er schien verlegen. „Bitte entschuldige mich bei Philippe, wenn er schon wach sein sollte. Ich muß alle nötigen Vorbereitungen für die Abreise nach Trousham treffen. Es gibt viel zu tun, und die Zeit drängt."
Der Major war überrascht. „Aber Wilcox", antwortete er, „die Vorbereitungen werden doch sicherlich eine halbe Stunde warten können."
Er erhielt jedoch keine Antwort. Lord Kellinghurst hatte den Raum bereits verlassen.
Als der Major das Schlafgemach betrat, stellte er zu seinem größten Erstaunen fest, daß Philippe nicht mehr schlief. Der Arzt klappte gerade seine Tasche zu und bemerkte voller Zufriedenheit, daß der Patient zwar noch etwas schwach auf der Brust sei, er werde aber in Bälde wieder vollkommen hergestellt sein. Er verabschiedete sich, da er die Absicht hatte, im nahegelegenen Stepford einige Medikamente zu besorgen. Als er gegangen war, wandte sich der Major mit einem Lächeln dem Krankenlager zu.
Ermattet blickte Philippe ihn an. „Thomas", flüsterte er „ist etwas passiert? Wo ist Wilcox?" Seine Stimme war schwach und nur undeutlich zu verstehen.
Der Major nahm im gleichen Sessel Platz, in dem Wilcox noch vor wenigen Stunden um das Leben seines jungen Freundes gebangt hatte. „Wie geht es dir, du alter Recke?" Absichtlich schlug er einen fröhlichen Ton an. „Ich freue mich, daß dir das bißchen Gift nicht allzuviel anhaben konnte."
Philippe lächelte müde und wiederholte seine Frage nach dem Lord. Der Major teilte ihm mit, daß man beschlossen hatte, ihn, zu seiner eigenen Sicherheit, an die Küste zu bringen. Der Lord sei damit beschäftigt, die nötigen Reisevorbereitungen zu treffen, und könne deshalb nicht bei ihm sein. Er werde am Nachmittag aber sicher vorbeischauen.
Livingston versuchte, die Angelegenheit so harmlos wie möglich darzustellen, um dem geschwächten Jungen keinen unnötigen Schrecken einzujagen. Die Drohung von Lady Fairfax, nach Blenfield zurückzukehren, behielt er wohlweislich für sich.
„Bin ich denn immer noch in Gefahr?” erkundigte sich Philippe. Er versuchte seiner Stimme einen gleichgültigen Klang zu verleihen, doch dem feinen Gespür des Majors entging der Anflug von Furcht nicht. Daher antwortete er beruhigend: „Ganz egal, was passiert ist, Philippe, es ist jetzt vorbei." Aufmunternd schaute er den jungen Mann an.
„Vorbei", wiederholte Philippe unsicher. Nach einem kurzen Moment hob er erneut an: „Ich habe, habe alles ...", seine Stimme versagte.
„Was hast du, Philippe? Was möchtest du sagen?" Der Major beugte sich vor.
„Ich habe alles, alles gesehen ... sie ...", Philippe stockte, „ich habe sie gesehen, wie sie ... sie war es, Thomas, sie." Angstvoll blickte er den Major an.
„Denk nicht mehr an Lady Fairfax", antwortete der Major voller Mitgefühl. „Sie ist nicht mehr hier. Wilcox wird dafür sorgen, daß dir nichts geschieht. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Wir passen auf und werden dich keinen Moment aus den Augen lassen, verstehst du?"
Philippe nickte. Er schien beruhigt. Langsam hob er den Kopf und betrachtete für einen Augenblick die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen. Er ließ sich zurück auf das Kissen sinken. „Thomas?" Philippe hatte sich dem Major zugewandt.
„Ja?" Fragend beugte der Major sich vor. „Was gibt es?"
„Er hat mir das Leben gerettet", antwortete Philippe voller Rührung. Seine Stimme zitterte, und ein feuchter Glanz trat in seine Augen. „Verstehst du, Thomas? Wenn er gestern nacht nicht bei mir gewacht hätte, wäre ich gestorben. Aber er hat mir das Leben gerettet. Ich bin ihm auf ewig dankbar dafür." Das Sprechen schien Philippe zu ermüden. Er schloß die
Weitere Kostenlose Bücher