Verborgene Liebesglut
Augen und war nach wenigen Augenblicken in einen leichten Schlaf gefallen. Leise verließ der Major das Zimmer.
Unterdessen hatte Wilcox begonnen, Vorbereitungen für eine baldige Abreise zu treffen. Als er sich mit dem Major am Nachmittag zu einem späten Lunch im Speisezimmer traf, nutzte er die Gelegenheit, die Reiseroute mit ihm durchzusprechen.
„Es wird das beste sein, wenn ihr London meidet und statt dessen über Brighton reist."
„Ihr?" Der Major sah seinen Freund erstaunt an. „Was meinst du damit? Wirst du uns denn nicht begleiten?"
Wilcox stocherte mit wenig Appetit in dem kalten Geflügel, das der Diener ihm aufgetan hatte, und nahm einen Schluck Wein, bevor er antwortete. „Ich halte es für das beste, wenn du mit Philippe alleine reist. Das erregt weniger Aufsehen. Wir werden ein paar Wochen verstreichen lassen, und dann schauen wir, wie es weitergeht."
Nachdenklich stimmte der Major zu. „Wahrscheinlich ist es das Sinnvollste. Philippe wird allerdings furchtbar enttäuscht sein, wenn er davon erfährt."
„Nun, das läßt sich nicht ändern", erwiderte Lord Kellinghurst in distanziertem Tonfall.
Livingston war erstaunt. „Aber Wilcox ...", begann er.
Der Lord fiel ihm hastig ins Wort. „Es geschieht doch nur zu seinem Besten", fügte er mit etwas mehr Wärme hinzu. „Philippe wird das verstehen."
„Sicher." Der Major griff nach einer Orange und begann sie langsam zu schälen.
Diese tropischen Früchte waren seit der Kontinentalsperre eine ungeheure Seltenheit und nur unter den größten Schwierigkeiten zu bekommen. Dennoch stand auf der Speisetafel von Blenfield Park eine riesige Schüssel, die bis zum Rand gefüllt war mit duftenden Apfelsinen. Selbst bei Hof war solch ein Luxus selten. Während der Major das Obst geschickt mit einem kleinen, silbernen Messer zerteilte, berichtete er scheinbar beiläufig von seinem Krankenbesuch am Vormittag.
„Wußtest du, mein Alter", bemerkte er in fröhlichem Plauderton, „daß Philippe glaubt, er verdanke dir sein Leben? Warum denkt er das wohl?" Während er auf eine Antwort wartete, betrachtete er seinen Freund unauffällig aus den Augenwinkeln.
Wilcox wich der Frage aus. „Nun, Philippe ist noch sehr geschwächt. Man sollte so eine Bemerkung nicht auf die Goldwaage legen."
„Das ist sicher richtig", pflichtete der Major ihm bei. Er konnte beobachten, wie erleichtert sein Freund war, daß er nicht darauf drängte, dieses Thema zu vertiefen. Nach einem Augenblick nahm er den Gesprächsfaden jedoch erneut auf. „Wann wirst du Philippe sagen, daß du ihn nicht begleiten wirst?" erkundigte er sich. „Du solltest es ihm so bald wie möglich mitteilen."
Wilcox blickte betreten zu Boden. „Thomas", begann er nach einem Augenblick, „ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mit Philippe sprechen könntest. Ich bin heute sehr beschäftigt und werde wohl kaum die Zeit finden, ihm einen Besuch abzustatten. Würdest du das für mich tun?"
„Selbstverständlich, mein Freund", erwiderte der Major. Er war verwirrt, versuchte sich aber nichts anmerken zu lassen. Seit letzter Nacht schien der Lord seltsam verändert. Die Sorge um Philippe hatte natürlich sehr an seinen Nerven gezerrt, trotzdem konnte er sich diese Reserviertheit nicht erklären. Etwas war anders, doch er kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, daß ihn nichts bewegen konnte, darüber zu sprechen, wenn der nicht wollte.
Nach einem ausgedehnten Spaziergang am Nachmittag machte der Major sich zu einem erneuten Krankenbesuch in die oberen Gemächer auf. Seit dem Lunch hatte er Wilcox nicht mehr gesehen. Als er bei Stanton Erkundigungen nach ihm einholte, erfuhr er, daß der Lord in Geschäften unterwegs sei. Um was es sich dabei handelte, wußte Stanton nicht zu sagen. Langsam begann der Major sich ernsthaft Sorgen um Wilcox zu machen. Gerade heute hatten sie doch Grund, froh zu sein. Philippe war außer Gefahr! Außerdem hatte Wilcox endlich den Entschluß gefaßt, die unglückselige Verbindung mit Fiorinda Fairfax nicht einzugehen. Was war also geschehen?
Auf seinem Weg zu Philippe beschloß der Major, offen mit Wilcox darüber zu reden. Egal, was seinen Freund bedrückte: Er würde ihm beistehen.
Als er bei Philippes Gemach angekommen war, klopfte er leise an die Tür. Falls der junge Franzose schlief, wollte er ihn nicht wecken. Leise betrat er den Raum.
Philippe lag im Bett, doch er war wach. Als er den Major erblickte, begrüßte er ihn mit einem freudigen Lächeln.
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