Verborgene Liebesglut
hatte kaum geschlafen und war von wirren räumen heimgesucht worden. Er war noch ganz benommen, als er sich erhob und sein Gesicht in eine Porzellanschüssel mit kühlem Wasser tauchte. Nur allmählich kehrten die Ereignisse der letzten Nacht zurück. Sein erster Gedanke galt Philippe. Er war gerettet! Das war das Wichtigste. Und doch, da war noch etwas anderes. Wieder und wieder kühlte sich Wilcox die glühende Stirn mit kaltem Wasser. Der Jüngling hatte in seinen Armen gelegen, und gemeinsam waren sie dem Tod entgegengetreten. Die Erinnerung an Philippes glatte Haut, die er an seiner Brust gespürt hatte, stieg in ihm auf.
Eilig griff Wilcox zu einem Leinentuch und rieb sich mit heftigen Bewegungen das Gesicht trocken. Unter allen Umständen mußte Philippe, sobald er reisefähig war, nach Trousham gebracht werden. Es gab so viele Dinge, die nun geplant werden mußten. Entschlossen läutete Wilcox nach Stanton, um sich von ihm beim Ankleiden helfen zu lassen.
Als der Diener erschien, erkundigte er sich sofort nach dem Befinden des französischen Gastes. Wilcox beantwortete seine Fragen einsilbig. Er verriet nur soviel, daß sein Gast außer Gefahr war, aber sicher noch der Ruhe bedürfe. Verständnisvoll bemerkte Stanton: „Mylord werden sicherlich vor dem Frühstück noch Monsieur Philippe sehen wollen."
Wilcox wich seinem Blick aus. „Nein, Stanton", erwiderte er nach kurzem Zögern. „Wie ich schon sagte, der junge Herr hat eine sehr anstrengende Nacht hinter sich. Je weniger er durch Besuche belästigt wird, desto besser." Stanton konnte seine Überraschung kaum verbergen. Wilcox wandte sich von ihm ab, beendete schweigend seine Toilette und begab sich in die untere Etage des Schlosses.
In der Bibliothek hatten sich bereits der Major und der Arzt eingefunden. Die Terrassentüren waren weit geöffnet, und eine frische Brise wehte aus dem Park herein. Als Wilcox den Raum betrat, wurde er sofort mit Fragen bestürmt.
„Lebt er?" war das erste, was der Major rief, sobald er Wilcox erblickte.
Der Lord nickte. „Ja doch, er lebt und ist außer Gefahr."
„Gott sei Dank!" stieß Livingston erleichtert hervor. „Es gibt doch einen gerechten Gott im Himmel, der die Aufrichtigen beschützt."
„Wie haben Sie die letzte Nacht verbracht?" erkundigte sich der Arzt. „Mich würde sehr interessieren, was die Ursache der schnellen Genesung unseres jungen Patienten war. Können Sie mir das verraten?"
Wilcox zögerte einen Moment. Doch dann erwiderte er knapp: „Philippe hat sich selbst gerettet. Es stand auf Messers Schneide, doch sein junger Körper hat das Gift erfolgreich bekämpft. Ich gebe dir recht, Thomas", Wilcox wandte sich an den Major, „es gibt einen gerechten Gott im Himmel."
Eilig tat der Arzt seine Absicht kund, sich selber von dem Zustand des Patienten zu überzeugen. Der Lord stimmte zu. „Es wird sicher das beste sein, wenn Sie nach ihm sehen. Obwohl ich glaube, daß er noch schläft." Das medizinische Interesse des Arztes war geweckt, eifrig erkundigte er sich, ob der junge Mann in der Nacht bei Bewußtsein gewesen war.
Wilcox schwieg einen Moment, bevor er antwortete. „Er war kurz bei Bewußtsein, nachdem er die Krise überwunden hatte. Allerdings konnte er kaum sprechen und ist sofort wieder eingeschlafen."
„Der junge Mann hat einen starken Lebenswillen, das muß man ihm lassen", bemerkte der Arzt mit großer Verwunderung. „Ich möchte ehrlich zu Ihrer Lordschaft sein. Nach der Menge Gift, die ihm vermutlich verabreicht wurde, wagte ich kaum zu hoffen, daß er es schaffen würde."
„Ohne seinen Wunsch zu leben hätte er es nicht bis nach Blenfield geschafft", erklärte Wilcox ruhig. „Er ist zwar fast noch ein Junge, aber er hat die Kraft eines Löwen." Der Major stimmte ihm aus vollem Herzen zu.
Mit einer Verbeugung und einer Gratulation zur glücklichen Genesung seines Gastes verabschiedete sich der Arzt, um sich selber ein Bild vom Gesundheitszustand seines Patienten zu machen. Der Major versprach, ihm später zu folgen. Auch er war begierig, Philippe einen Krankenbesuch abzustatten, sobald dieser erwacht war.
Als die beiden Freunde alleine waren, trat Wilcox an die geöffnete Flügeltür und betrachtete versonnen die Parklandschaft, die sich im strahlenden Sonnenschein vor ihm ausbreitete. Livingston gesellte sich zu ihm. Einige Minuten standen die beiden Männer schweigend beieinander.
„Geht es dir gut, mein Freund?" erkundigte sich der Major schließlich mit einem
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