Verborgene Liebesglut
Araberhengst wird nicht in Form bleiben, wenn du ihm nicht bald wieder einen richtigen Ausritt verpaßt!"
„Ja", antwortete Wilcox, ohne aufzublicken, „aber nicht jetzt."
Es hatte keinen Zweck. Durch eine Handbewegung gab der Major Philippe zu verstehen, daß es für ihn besser sei, den Salon zu verlassen. Unwillig zog er sich zurück. Ein leises „Au revoir" war noch zu vernehmen, doch dann war er auch schon verschwunden.
Sofort drehte sich Wilcox zu seinem Freund um. „Du kannst mich vor Philippe nicht zu Dingen drängen, die ich nicht will. Im übrigen ist mir nicht nach Heiterkeit zumute. Es muß erst Zeit ins Land ziehen, bis wir alles vergessen haben."
„Aber Wilcox, sprich, was ist los mit dir?" Der Major schaute ihn verdutzt an. „Du weißt, daß ich dich als meinen teuersten Freund bezeichne. Und du weißt auch, daß ich deinen verantwortungsvollen Umgang mit Menschen sehr schätze. Aber hier stimmt doch etwas nicht. Du behandelst Philippe geradezu stiefmütterlich. Nach alldem, was er mitgemacht hat, benötigt er nun deine Zuneigung. Er braucht dich, Wilcox!"
„Du hast sicherlich recht", begann der Lord. „Auch mir ist klar, daß Philippe vor allem Ruhe und Geborgenheit braucht. Er wird immer mit meiner Hilfe rechnen können."
„Nun denn? Wo sticht dich der Hafer?”
„Ich glaube einfach, daß ich alleine dem Jungen das nicht bieten kann, was er jetzt braucht. Er schreit geradezu nach Herausforderungen. Siehst du nicht, wie seine Augen wieder leuchten? Wie entschieden sein Gang geworden ist? Wie aufrecht er sein Haupt trägt?"
„Nein, Wilcox. Er sucht keine Herausforderungen, sondern deine Aufmerksamkeit. Dir möchte er zeigen, daß er sein Leben keinem anderen zu verdanken hat. Du sollst sehen, daß er glücklich ist. Merkst du denn nicht, in welch unbeholfener Art er versucht, dir seinen Dank abzustatten?"
„Natürlich merke ich das. Aber ich sehe es ein wenig anders als Philippe, denn er hat nicht mir, sondern ausschließlich sich selber sein Leben zu verdanken. Mit seinem Mut konnte er alle Gefahren überstehen. Und dieser wird ihn auch weiterhin beschützen. Weißt du", fuhr er nach einem Moment fort, „wenn er lernen soll, den Höhen und Tiefen des Lebens und auch des Kampfes entschlossen zu begegnen, müssen wir ihm jetzt zeigen, daß jeder Mensch auf sich gestellt ist. Philippe braucht niemanden! Er braucht sich selbst und keinen Vater, der ihm im richtigen Moment zeigt, wo der Weg entlanggeht. Sein starker Geist befähigt ihn, alle Schwierigkeiten alleine zu meistern."
Der Major schien ungerührt von dem kleinen Monolog seines Freundes, doch in seinem Inneren war er gänzlich unterschiedlicher Meinung. In diesem Moment erkannte der Major seinen Freund nicht wieder, denn all sein Edelmut schien sich in Kälte und Starrsinn verwandelt zu haben.
„Aber Wilcox! Du warst es, der selbst erkannte, daß der Junge nun die Wärme einer Heimat braucht. Du darfst nicht derartig grob mit ihm umgehen. Und überhaupt ...", er hielt für einen Moment inne.
„Was überhaupt? Sprich ruhig weiter, Thomas."
„Ich möchte dir natürlich nicht zu nahetreten, Wilcox, aber da ist doch irgend etwas, was dich beschäftigt."
„Ich habe nicht die geringste Ahnung, was du meinst."
„Na, es ist etwas Unerklärliches in deinem Verhalten, wenn du dem Jungen gegenüberstehst. Ist etwas passiert? Ist etwas zwischen euch vorgefallen?"
„Aber nein. Nicht doch. Was sollte das sein?" fragte der Lord ausweichend.
„Wilcox!" der Major trat einen Schritt auf ihn zu. „Ich bin zwar ein alter Junggeselle, aber man kann mir in Herzensangelegenheiten nichts vorspielen. Nun komm schon. Spuck's aus, alter Kerl!"
Wilcox schmunzelte ein wenig über die gefühlvolle Rede seines Freundes.
„Ich weiß nicht, worauf du hinaus möchtest. Aber ich mag dich ganz besonders, wenn du dich von deiner sentimentalen Seite zeigst."
Der Major schaute ihn verärgert an.
„Aber trotzdem", fuhr der Lord fort. „Vielleicht hast du ja recht, und ich wirke zu nachdenklich auf dich, wenn ich in Philippes Nähe bin. Ja, ich gebe es zu. Ich mache mir Sorgen um ihn, und deswegen bin ich zu einem Schluß gekommen."
Neugierig horchte Livingston auf. Vielleicht kämen sie nun endlich auf den Punkt.
„Ich habe viel über Philippe nachgedacht. Ich bin der Ansicht, daß er, obwohl die Bedrohung durch Lady Fairfax gebannt wurde, noch immer nicht in Sicherheit ist. Er ist auf Blenfield nicht gut aufgehoben."
„Aber natürlich
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