Verborgene Liebesglut
hatte, um in aller Ruhe die Gesellschaftsnachrichten zu lesen, die auch nach diesem langen Zeitraum nicht von den sensationellen Ereignissen auf Blenfield Park ablassen wollten. Kurz schaute er auf. Wilcox reichte ihm den engbeschriebenen Bogen.
„Hier, alter Junge, ich denke, das solltest du lesen."
Der Major nahm den Brief entgegen und betrachtete das edle Wappen am oberen Rand des teuren Papiers. Erstaunt blickte er auf. „Er ist von deinen Anwälten."
Wilcox nickte nachdenklich. „Lies ihn."
Der Major überflog das dichtbeschriebene Blatt.
Durch die bedauerliche Verwicklung Seiner Lordschaft in die Affäre um Lady Fairfax sahen sich die Advokaten der Familie Kellinghurst verpflichtet, Seiner Lordschaft Mitteilung über das weitere Schicksal der Lady zu machen. Nach ihrem Zusammenbruch in der Kirche war sie nach Stonerock, einer Institution für geistig Verwirrte, gebracht worden. Der Vorsteher der Anstalt hatte die Anwälte auf deren Anfrage hin darüber informiert, daß besagte Person sich in einem bedauernswerten Zustand befinde, von dem sie wohl nicht mehr genesen werde. Offensichtlich habe sie nach ihrer Festsetzung vollkommen den Verstand verloren. Sie renne gegen Wände und versuche ihre Aufpasser zu schlagen und zu beißen. In ihrer Wut sei sie dermaßen gewalttätig, daß man sie, zum Schutz anderer Personen, wegschließen müsse.
Während der Major diese Worte las, schüttelte er ungläubig den Kopf. „Und diese Chimäre wäre beinahe deine Schwiegermutter geworden."
Wilcox blickte nachdenklich aus dem Fenster. Der Major las weiter.
Trotz ihres verwirrten Geisteszustandes seien die Anschuldigungen gegen Lady Fairfax so schwerwiegend, daß die Krone Klage gegen sie erhoben hatte. Wegen ihrer verräterischen Kontakte zum französischen Feind hatte man sich genötigt gesehen, eine genaue Untersuchung auf Morlay Hall durchzuführen. Dort habe man weitere Unterlagen gefunden, die über das verbrecherische Tun von Lady Fairfax detailliert Auskunft gaben. So hatte sie, neben ihren Kontakten zu französischen Spionen, unter anderem einen regen Handel mit Lustknaben betrieben. Sie ließ die Söhne ihrer Pächter entführen, um sie auf den Sklavenmärkten im Vorderen Orient an reiche Männer zu verkaufen.
Als der Major von diesen Greueltaten las, rief er empört aus: „Diese heimtückische Schlange! Wie es aussieht, sind wir mit ihrem Mord- und Erpressungsversuch noch recht glimpflich davon gekommen."
Zum Schluß sprachen die Anwälte noch die Empfehlung aus, keine Klage gegen Lady Fairfax zu erheben, denn vermutlich werde sie nie mehr in der Lage sein, für ihre grauenvollen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Nachdem der Major den unfaßbaren Bericht über das Ende von Lady Fairfax beiseitegelegt hatte, blickte er den Lord erwartungsvoll an. „Und? Was wirst du tun? Wirst du dem Rat deiner Anwälte folgen."
Wilcox schaute weiterhin zum Fenster hinaus. Schließlich nickte er. „Ich bin froh, daß diese furchtbare Angelegenheit vorbei ist. Außerdem liegt mir nichts daran, in einem peinlichen Prozeß als Zeuge auszusagen."
Der Major war zu ihm getreten und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du hast sicher recht."
Nach einem Augenblick bemerkte der Lord: „Was wird wohl aus Fiorinda werden?"
Der Major zuckte mit den Achseln. „Ist dir nicht aufgefallen, was für Blicke sie dem Kapitän zugeworfen hat, als man ihre Mutter in Ketten legte? Sie wird weiterhin das tun, was sie am besten kann: Männer mit ihrem guten Aussehen beeindrucken. Um sie brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen. Mich wundert nur, daß sie nicht genauso wahnsinnig ist wie ihre verworfene Mutter."
In diesem Augenblick betrat Philippe den Raum. Wilcox warf dem Major einen warnenden Blick zu.
„Störe ich euch?" Verwundert sah er die beiden Männer an.
„Nein, Philippe, du störst nicht", entgegnete der Major. „Wir sprachen jedoch gerade über Lady Fairfax, und Wilcox fürchtet wohl, die Erinnerung an sie würde dich zu sehr aufregen."
Philippe lachte fröhlich auf: „Das hätte es vielleicht, wenn ich nicht Zeuge davon geworden wäre, wie diese Hexe in aller Öffentlichkeit den Verstand verloren hat. Sie sah wirklich zu komisch aus, wie sie vor dem Altar herumlamentierte."
Er wandte sich nun an den Lord und fügte warmherzig hinzu: „Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen, Wilcox. Ich fühle mich gut. Ich habe sogar große Lust, heute etwas im Wald umherzustreifen. Das Wetter ist
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