Verborgene Lust
wünschte, sie hätte es nicht getan«, sagt sein Bruder ausdruckslos. »Sie wusste, dass ich lieber gestorben wäre als zu wissen, dass meine Frau mit dem Feind schläft.«
Als wolle sie seine Aussage unterstreichen, schlägt auf einmal die Standuhr.
»Wie hätte ich es aushalten sollen, dich nicht zu retten?«, flüstert Mathilde.
Maria ist sprachlos. Hin- und hergerissen. Sie liebt Felix, weil er so ist, wie er ist: stark, mutig und launisch, aber er ist so unerbittlich. Sie überlegt, was Mathilde getan hat, und weiß, dass sie an ihrer Stelle genauso gehandelt hätte, um Felix’ Leben zu retten.
»Nun«, sagt Olivier zu ihr, »ich habe Ihnen ja gesagt, dass die Wahrheit kompliziert ist.«
Maria lehnt sich auf ihrem Sessel zurück. Plötzlich ist sie sehr müde. Jetzt, da ihre Wut verflogen ist, besitzt sie keine Energie mehr.
»Liebes«, sagt Felix und spricht sie vor seiner Frau auf diese liebevolle Weise an. Mathilde sitzt wie versteinert da, als sei sie nicht aus Fleisch und Blut. »Du siehst sehr müde aus. Warum gehst du nicht ins Bett? Wir reden morgen früh weiter.«
Er hat mich nicht um Verzeihung gebeten, denkt Maria.
Müde steht sie auf, ihre Glieder sind schwer und ihr schwindelt.
Felix bringt Maria die Treppe hinauf. Er legt den Arm um ihre Taille und führt sie zum Schlafzimmer. Maria wehrt sich nicht. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen, sie spürt, wie ihr Körper sich zu ihm neigt und sie bittet, sich von ihm berühren zu lassen. Aber er ist nicht der Mann, für den sie ihn gehalten hat.
Er führt sie in ein dunkles Schlafzimmer und schaltet neben dem Bett eine Lampe ein. Das Zimmer ist sehr luxuriös. Die Wände sind mit einer Damasttapete bezogen, die ein Muster aus rosa Schlüsselblumen schmückt. Auf einem Himmelbett liegt eine Tagesdecke mit Schlüsselblumen, die mit weißen Seidenrosen bestickt ist. Trotz der Größe riecht es in dem Zimmer muffig, als wäre es seit Monaten nicht gelüftet worden. Felix durchquert den Raum und öffnet das Fenster. Die Nacht ist so warm und windstill, dass das kaum einen Unterschied macht, aber Maria ist froh, dass die Vorhänge geöffnet sind und sie Mond und Sterne sehen kann. Sie setzt sich auf das Bett und lässt das rote Cape von ihren Schultern gleiten.
Felix kommt zu ihr. Er geht vor ihr auf die Knie und nimmt ihre Hände in seine. »Ich liebe dich, Maria«, sagt er und blickt ihr in die Augen.
Sie zieht ihre Hände zurück und legt eine auf den Abdruck auf seiner Wange. »Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe«, sagt sie.
Er lächelt sie an, sein Gesicht wirkt jetzt entspannt. »Das ist in Ordnung«, erwidert er, nimmt ihre Hand und legt sie auf seinen Schoß. Sie spürt, wie sein Glied in seiner Hose wächst.
»Ich begehre dich so sehr«, sagt er. »In deinem Silberkleid siehst du aus wie das Mondlicht.«
Er lässt die Hand unter ihr Kleid gleiten und streichelt ihre Beine. Maria begehrt ihn ebenfalls, doch sie weiß, dass nur ihr Körper auf ihn reagiert. Ihr Herz ist von widersprüchlichen Gefühlen erfüllt: Ihre Liebe steht seinem Betrug gegenüber. Und da ist noch etwas anderes. Sie kann es nicht benennen, aber plötzlich spürt sie, dass sie heute Nacht allein sein muss. Sie weicht zurück und unterbricht ihn. Er sieht sie fragend an: »Was ist, Liebling?«
»Wie geht es weiter, Felix?«
Er seufzt und setzt sich auf die Fersen. »Deshalb bin ich nach London gegangen. Um all dem zu entkommen.« Er zuckt mit den Schultern. »Ich wusste, dass ich dich nicht mit nach Frankreich hätte nehmen dürfen.«
»Was ist mit uns, Felix? Was sollen wir tun?«
»Ich liebe dich, Maria. Reicht dir meine Liebe nicht?« Er hält inne. »In ein paar Jahren kann ich mich von Mathilde scheiden lassen, dann verschwindet sie aus unserem Leben. Nur im Moment braucht sie meinen Schutz. Das bin ich ihr schuldig.«
»Dann willst du also, dass ich deine Geliebte bin?«
»Ja«, sagt er. »Aber eigentlich bist du meine richtige Frau, mein Liebling …« Seine Stimme verhallt.
»Warum kannst du ihr nicht vergeben?«, flüstert Maria.
»Ich will nicht mehr darüber sprechen«, antwortet er gereizt, steht auf, und sein liebevoller Blick weicht einer überheblichen Miene.
Maria träumt, dass sie tanzt. Die Wände des Schlafzimmers verwandeln sich in eine goldene Weide. Das Gras ist weich und dicht wie ein Teppich, der Duft der Sommerrosen dringt in ihre Poren und macht sie weich und biegsam wie Rosenblätter. Sie tanzt allein auf der offenen
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