Verborgene Lust
etwas passiert.
Abrupt steht sie auf und greift Joans Hand.
»Lass uns gehen. Es ist schon spät.«
Joan sieht sie mit gerunzelter Stirn an.
»Ich will nicht gehen«, sagt sie und zieht ihre Hand zurück. »Gerade fängt es an, lustig zu werden.«
»Ich glaube, wir müssen gehen. Wir haben morgen früh Unterricht.«
»Was studiert ihr denn, Mädchen?«, fragt Ralph gedehnt.
»Wir sind Tanzstudenten, Schätzchen.« Joan streicht mit dem Finger über seine Wange.
»Oh, Tänzerinnen, das erklärt alles.« Ralph lacht und blickt mit schmalen Augen zu Maria. Er gibt ihr das Gefühl, eine gewöhnliche Nutte zu sein. Wie kann er es wagen?
»Joan«, sagt sie fest. »Ich gehe jetzt, und ich glaube, du solltest mitkommen.«
Joan winkt ab.
»Keine Sorge, Herzchen. Mir geht’s gut. Wirklich. Ich bin eine Frau von Welt.«
Mehr kann Maria nicht ausrichten. Schnell verlässt sie den Club. Sie ist wütend auf ihre neue Freundin, weil sie so betrunken ist und sich so dumm benimmt. Auf Ralph ist sie auch wütend, weil er so schlecht über sie denkt. Sie ist jedoch auch enttäuscht. Sie kann nicht verhindern, dass Joan sich danebenbenimmt, und irgendwie kommt sie sich ein bisschen albern vor. Wie ein Spielverderber. Sie tritt hinaus auf die kühle Straße und atmet tief die frische Luft ein. Gott, war das da drinnen verraucht.
»Darf ich Sie nach Hause bringen?«
Überrascht dreht sie sich um. Hinter ihr steht Douglas mit ihrer Abendtasche in der Hand. Sie hatte es so eilig, den Club zu verlassen, dass sie sie am Tisch vergessen hat.
»Oh, danke«, antwortet sie, während sie ihm die Tasche abnimmt und sie sich unter den Arm klemmt. Obwohl die Nacht warm ist, erzittert Maria, als er sie aus seinen wässrigen blauen Augen anstarrt.
»Ich kann zu Fuß gehen«, sagt sie.
»Unsinn, ich bin erst glücklich, wenn ich Sie sicher zu Hause weiß«, entgegnet Douglas. »Mein Wagen steht direkt um die Ecke.«
Während Douglas die Pall Mall hinunter und am Buckingham-Palast vorbeifährt, krallt Maria im Schoß die Hände zusammen und versucht, die Angst um Joan zu verdrängen.
»Kennen Sie Ralph gut?«, fragt sie. Er blickt zu ihr hinüber und betrachtet sie gelassen.
»Oh, ja, wir haben zusammen in Afrika gedient«, erklärt Douglas. »Ich versichere Ihnen, dass er ein Gentleman ist.«
Da ist sich Maria nicht so sicher. Sie sieht noch vor sich, wie Ralph seine Hand unter Joans Rock gleiten ließ, und erinnert sich an den betrunkenen Schimmer in den Augen ihrer Freundin. Sie hätte sie nicht zurücklassen dürfen.
»Vielleicht sollten wir zurückfahren und Joan holen?«, wagt sie einen Vorstoß.
Douglas legt eine Hand auf ihr Knie, woraufhin sie zusammenzuckt, als habe er sie verbrannt.
»Ich glaube wirklich, dass Ihre Freundin auf sich selbst aufpassen kann. Sie ist nicht unerfahren …«, er zögert, »so wie Sie.«
Maria blickt zu Douglas, aber er starrt mit neutraler Miene durch die Windschutzscheibe auf die Straße. Sie wendet sich ab und verändert ihre Haltung, sodass seine Hand von ihrem Knie rutscht. Während sie durch die absolute Dunkelheit des nächtlichen Nachkriegslondons an der Victoria Station vorbeirasen, wünscht Maria, sie wäre schon zu Hause bei Jacqueline.
Als sie ihre kleine Straße erreichen, besteht Douglas darauf zu parken. Er steigt aus, geht um den Wagen herum und öffnet die Beifahrertür für sie. Da sie nicht seine Hand nehmen will, steigt sie ziemlich ungeschickt aus.
»Danke«, sagt sie, während sie zum obersten Stockwerk des Hauses hinaufblickt. Die Vorhänge an Jacquelines Zimmerfenster sind zugezogen, dahinter brennt kein Licht. Ihre Mentorin schläft.
Maria wartet, dass er wieder ins Auto steigt, aber Douglas steht noch immer in der verlassenen Straße.
»Nun, dann gute Nacht«, sagt Maria und sucht in ihrer Tasche nach dem Haustürschlüssel.
»Darf ich Sie zum Abendessen einladen?«, fragt Douglas plötzlich. »Samstagabend?«
»Oh«, stottert sie. »Tut mir leid, aber am Samstag habe ich keine Zeit.«
Etwas an der Art, wie der junge Mann sie ansieht, dieses Funkeln in den hellen Augen, beunruhigt sie. Sie kann sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als mit ihm auszugehen.
»Nun, wie wäre es dann am Sonntag?«, fragt er.
»Ich kann nicht. Tut mir leid.« Sie schüttelt den Kopf.
»Montag?«
Jetzt bleibt ihr nichts anderes übrig, als direkt zu sein.
»Nein, tut mir leid. Ich bin sehr mit meinem Tanzstudium beschäftigt.«
»Haben Sie nein gesagt?« Seiner eisigen
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