Verborgene Lust
Außerdem geht es Guido überhaupt nichts an, mit wem sie ihre Zeit verbringt. Doch als sie schließlich den Blick hebt, um Guido anzusehen, erschreckt sie über den Ausdruck auf seinem Gesicht. Ausnahmsweise ist er nicht von ihr gebannt. Stattdessen sieht er mit unverhohlener Feindseligkeit zu Felix. Warum hasst er den Franzosen nur so sehr?
Valentina
Sie befinden sich in der Wohnung von einem der Männer. Valentina ist sich nicht sicher, ob sie Francesco gehört oder einem seiner Freunde. Es handelt sich ganz offensichtlich um eine Junggesellenwohnung: minimalistische Designermöbel, eine riesige weiße Ledercouch, hochmoderne Lautsprecher, ein gigantischer Fernsehbildschirm, der die spärlichen Kunstwerke an der Wand überschattet, sowie ein kinderunfreundlicher Esstisch aus Glas mit cremefarbenen Lederstühlen. Sie vermutet, dass die Wohnung einem der jungen Männer gehört. Hier erinnert nichts an ein siebenjähriges Mädchen. Deshalb kann es nicht Francescos Wohnung sein. Wäre dann nicht etwas von Lucia hier? Sie trinken Tequila. Das ist bei Valentina nicht ganz ungefährlich, vor allem nachdem sie in dem brasilianischen Restaurant bereits Caipirinhas getrunken haben.
Nachdem Valentina im Restaurant zunächst so abweisend ihm gegenüber war, kann sie nicht glauben, dass sie nun neben Francesco auf dem Sofa sitzt. Anscheinend stimmt Alkohol milde. Jetzt ist Valentina jedenfalls froh, bei ihm zu sein. Sie fühlt sich erneut zu ihm hingezogen. Er flirtet mit ihr, und sie genießt es, begehrt zu werden. Kurz denkt sie an Thomas. Sie sollte ihn vergessen und ihn und Anita in Ruhe lassen.
Sie spielen ein Spiel. Einer der Engländer, Peter, hat ihnen erklärt, sie müssten drei Dinge über sich verraten, von denen jedoch nur eines zuträfe. Die anderen müssten raten, was richtig sei. Isabella ist dran. Sie sitzt auf dem Schoß des Kerls mit dem blauen Hemd, Rupert. Ihr Rock ist bis zu den Schenkeln nach oben gerutscht, ihre Augen sind glasig vom Alkohol. Doch obwohl sie fast doppelt so alt ist wie sie, findet Valentina, dass sie hinreißend aussieht. Sie geht selbstbewusst mit ihrer Sexualität um und ist frei von der Befangenheit junger Menschen.
»Okay«, sagt Isabella und hält drei Finger hoch. »Als Studentin habe ich einen Sommer lang in Mailand als Callgirl gearbeitet.«
»Oh, oh, das muss es sein!«, kreischt Antonella.
»Den besten Sex, den ich jemals hatte, hatte ich mit einer Frau«, fährt Isabella fort und zwinkert Valentina anzüglich zu.
»Ach, nein, das glaube ich nicht.« Antonella schneidet eine Grimasse.
»Und ich habe mit dem Scheidungsanwalt meines Exmanns geschlafen. Und zwar auf der Motorhaube des Wagens von meinem Ex im Parkhaus seines Büros.«
»Was für ein Auto war es?«, fragt Francesco und füllt die Gläser nach.
»Ein Ferrari, Schätzchen, was sonst.«
»Es ist das Callgirl. Das muss es sein«, ruft Antonella aufgeregt. »Ich wusste immer, dass du ein dunkles Geheimnis hast, Tantchen.«
»Ich glaube, es sind die zwei Frauen«, meint Peter. Rupert ist zu beschäftigt damit, an Isabellas Ohr zu knabbern, um etwas zu äußern.
»Es ist der Sex auf der Motorhaube«, bemerkt Valentina, denn so etwas hätte ihre Mutter auch gemacht.
»Richtig!«, schreit Isabella.
»Wirklich? Oh, mein Gott, Tantchen, du bist schlimm.«
Isabella zwinkert ihrer Nichte zu.
»Na, dann wissen wir ja jetzt, von wem du diese Gene geerbt hast.«
Antonella erhebt sich stark wankend von ihrem Stuhl. »Ich habe genug von dem Spiel. Lasst uns tanzen.«
»Deine Freundin ist ein bisschen hyperaktiv, stimmt’s?«, flüstert Francesco Valentina ins Ohr.
Peter legt Musik auf, und Antonella tanzt um ihn herum, doch Valentina bemerkt, dass Peters Aufmerksamkeit Isabella und Rupert gilt, die sich auf dem Sofa küssen. Valentina steht etwas unsicher auf. Sie sollte gehen und Antonella mitnehmen. Sie hat das Gefühl, dass Isabella heute Nacht hierbleiben wird. Sie haben den Schlüssel zu Isabellas Haus, also könnten sie ein Taxi rufen. Sie sollten wirklich aufbrechen.
Sie wendet sich an Francesco: »Wo ist das Bad?«
Valentina beugt sich über das Waschbecken und starrt sich im Spiegel an. Ihre Miene ist ausdruckslos. Kein Gefühl. Ihr ist ein bisschen übel, und sie fühlt sich wackelig auf den Beinen. Sie hätte keinen Tequila trinken sollen. Sie weiß, was passiert, wenn sie Tequila trinkt. Als sie daran denkt, wie Francesco sie angesehen hat, lächelt sie sich im Spiegel zu. Er hat den ganzen Abend
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