Verborgene Lust
zu tun. Er ist besessen von mir, und das nicht auf positive Weise. Jacqueline fühlt sich ihm gegenüber zu Loyalität verpflichtet. Er ist Jude wie sie. Das wertet sie höher als die Tatsache, dass wir beide Franzosen sind.«
Maria beugt sich vor. Das hört sich alles sehr merkwürdig an. »Was meinst du mit ›besessen‹? Das verstehe ich nicht.«
»Er glaubt, ich sei jemand anders. Er glaubt, ich hätte Paris verlassen, um den Säuberungsaktionen zu entgehen. Er glaubt, ich sei ein Kollaborateur.«
»Und bist du einer?«
Felix sieht sie mit hartem Blick an, sein angespannter Mund verrät, wie sehr ihm ihre Frage missfällt.
»Nein. Absolut nicht. Er liegt völlig falsch.«
Sie spielt mit ihrer Tasse und wartet, dass der Kaffee sich abkühlt. Sie muss mutig sein und ihm diese Fragen stellen. Sie braucht Antworten. »Warum hast du Frankreich verlassen?«
»Das ist kompliziert. Sagen wir einfach, ich hatte genug von der Rachsucht junger Kommunisten, junger Männer und Frauen wie Guido.« Er steht auf und wendet ihr den Rücken zu. Er knurrt, und sie realisiert, dass er sich so anhört, wenn er wütend ist. »Warum sollte ich mich vor diesem jungen Idioten rechtfertigen?« Mit düsterer Miene dreht er sich zu ihr um. Vielleicht erinnert er sich an Dinge, die zu dunkel und zu grausam sind, um darüber zu sprechen.
»Es tut mir leid«, sagt sie. »Ich wollte nicht etwas aufrühren.«
Sein Ausdruck wird weicher. »Na, du bist ein neugieriges Kätzchen, was?«, flüstert er, tritt zu ihr, beugt sich hinab und leckt den Zucker von ihren Lippen.
Seine plötzliche Annäherung treibt ihr die Röte in die Wangen und beschleunigt ihren Herzschlag.
»Zucker ist kostbar, wir dürfen kein Körnchen verschwenden, stimmt’s?« Er fasst ihr Kinn und hebt ihr Gesicht, sein Blick überwältigt sie. »Wollen Sie mir gehören, Signorina Maria Brzezinska?«
Hingerissen nickt sie.
»Nun«, sagt er, nimmt die Hand weg und lässt ihren Kopf sinken. »Hast du Lust, Boot zu fahren?«
Er hebt die Ruder aus dem Fluss und legt sie vorsichtig rechts und links neben sich ins Boot. Sie betrachtet das trübe Wasser, das wie schmutziger Regen auf ihre Beine und ihren hellblauen Rock spritzt. Er sagt nichts. Das Boot treibt flussabwärts, und einen Augenblick hat Maria das Gefühl, sie wären hier auf der Themse, unter dem unendlich blauen Himmel ganz allein auf der Welt.
Sie sehen einander an. Felix’ warme braune Augen gefallen ihr. Sie meint darin seine Liebe zu erkennen. Das ist ihr Moment. Sie wird sich ihm zum ersten Mal hingeben. Sie will es. Es ist falsch, das weiß sie. Sie sind nicht verheiratet, noch nicht einmal verlobt. Sie weiß so wenig über ihn, dennoch vertraut sie ihm. Sie blickt sich um. Das Ufer ist leer. Schließlich ist es mitten in der Woche. Sie und die Flussvögel sind die einzigen Lebewesen hier: Moorhühner gurren, und Entenfamilien und ein einsamer Reiher beobachten schweigend, wie sie auf dem Wasser treiben. Eine riesige Libelle schwebt vorbei und streift mit ihren durchsichtigen Flügeln Marias Wange, sie strahlt eine wilde ungezügelte Energie aus. Maria nimmt das als Zeichen und beginnt, nacheinander die winzigen Perlmuttknöpfe ihrer Bluse zu öffnen. Sie weiß noch genau, wie ihre Mutter jeden einzelnen von ihnen angenäht hat. Felix beobachtet sie mit nachdenklicher Miene. Maria öffnet die Bluse und zeigt ihm ihre Brüste. Die feuchte Luft streift ihre Nippel, und sie spürt, wie sie sich erwartungsvoll verhärten. War bis dahin alles wie in Zeitlupe abgelaufen, geht es jetzt ganz schnell. Felix springt vor und drückt Maria auf den Boden des Bootes. Während er sie leidenschaftlich küsst, rutscht die Bluse von ihren Schultern. Felix verwandelt sie. Sie ist empfindlich und zugleich voller Energie – wie die Libelle. Obwohl sie auch Angst spürt, drückt sie sich unwillkürlich gegen seinen Körper. Sie steht kurz davor, ihre Jungfräulichkeit zu verlieren.
Da rückt Felix von ihr ab, nimmt ihr Gesicht in seine Hände und blickt ihr tief in die Augen. »Mein Liebling«, flüstert er. »Sag mir, dass ich aufhören soll.«
Sie schüttelt den Kopf. Sie will, dass er weitermacht.
Er setzt sich zurück auf die Fersen, während sie mit nackten Brüsten vor ihm auf dem Boden des Bootes liegt. Er nimmt ihre Bluse und schickt sich an, damit ihre Blöße zu bedecken, doch Maria schiebt sie weg und fleht ihn mit ihrem Blick an, wieder zu ihr zu kommen.
»Ich bin zu alt für dich«, widerspricht er. »Du
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