Verborgene Lust
bist zu gut für mich.«
Sie streckt ihm die Arme entgegen. »Ich liebe dich«, murmelt sie.
Er kann nicht länger widerstehen und küsst sie erneut. Maria spürt seine sanften Lippen auf ihren und atmet ein, als sei er der Odem ihres Lebens. Sie windet sich unter ihm, tastet sich vorsichtig mit der Hand vor und berührt ihn. Die Leidenschaft überwältigt sie. Maria hat nicht erwartet, dass sie die Initiative ergreifen würde, doch sie knöpft Felix’ Hose auf, streift ihre Unterwäsche ab und gibt sich ihm hin. Er stößt mit solcher Kraft zu, dass sie nach Luft ringt, dann wird sie ganz von ihm erfüllt.
»Ich liebe dich, Maria«, flüstert er und beginnt, sich in ihr zu bewegen. Seine Worte erregen sie noch mehr, und sie wird eins mit ihm. Das Boot unter ihnen schaukelt im Rhythmus, in dem sie sich bewegen. Es fühlt sich richtig an, es auf dem Fluss zu tun. Maria ist in einer Stadt an einer Lagune geboren, sie ist die Tochter eines Seemanns, ihre Jungfräulichkeit gehört der Welt des Wassers. Als Felix das Tempo steigert, schließt Maria die Augen und lässt sich von seiner Leidenschaft mitreißen. Sie spürt, wie sich sein Atem beschleunigt, biegt sich ihm entgegen und lässt seine Lust in ihr Herz strömen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr: Sie liebt diesen Mann, und er liebt sie.
Der Tag ist fast vorüber, doch Maria hat das Gefühl, ihr Leben finge gerade erst an. In dem kurzen Moment, den Felix in ihr war, ist ihre Seele mit seiner verschmolzen. Sie gehört ihm. Er gehört ihr. Als Felix ihr auf dem schaukelnden Boot die Unschuld genommen hat, während der Fluss plätschernd applaudierte, hat ihre Not begonnen. Jetzt will sie nur noch mit ihm zusammen sein, doch heute Abend muss sie die anspruchsvollste Rolle ihres Lebens tanzen. Ihr Körper ist noch immer aufgewühlt und bebt vor Verlangen, doch all das muss sie unterdrücken und zu Psyche werden, einem luftgleichen Wesen ohne körperliche Substanz.
Die Aufführung findet nicht in der Schule, sondern in einer benachbarten Halle statt. Es ist nicht die erste Vorstellung von Pandora , doch das Stück ist vier Jahre lang nicht aufgeführt worden. Lempert behauptet, jetzt, nach dem Krieg, sei es leichter, die Bedeutung der Choreografie zu erkennen: den ewigen Konflikt zwischen Gut und Böse.
Als Maria eintrifft, ist Joan bereits in ihrem Kostüm. Sie trägt ihr Kleid in Dunkelrot, Weiß und Lila sowie den Schlangenkopfschmuck. Ihr Gesicht ist weiß geschminkt, ihre Augen wirken groß und dunkel, und ihre Brauen sind mit einem schwarzen Strich nachgezogen. Sie sitzt vor dem Spiegel, raucht eine Zigarette und starrt sich an, während die anderen sich um sie herum fertig machen.
»Da bist du ja!« Sie begegnet Marias Blick im Spiegel. »Wo bist du gewesen?«
Maria setzt sich neben sie, nimmt die Puderdose und bläst vorsichtig hinein, sodass eine kleine Wolke entsteht.
»Ich bin Boot gefahren«, sie zögert, um die Spannung zu steigern, »mit Felix.«
»Ach, der geheimnisvolle Franzose, den du mir nicht vorstellen willst.« Joan schmollt.
»Das stimmt nicht. Er holt mich fast jeden Tag von der Schule ab, aber du bist mit Louis immer länger geblieben.«
Joan seufzt. »Nun, das ist jetzt vorbei.«
Maria ignoriert Joans langes Gesicht. Sie ist zu glücklich, um sich über das Liebesleben ihrer Freundin Gedanken zu machen.
»He«, sagt Joan, als sie es bemerkt, »was bist du so selbstgefällig?«
»Ach, nur so«, antwortet Maria leichthin. »Ich bin verliebt.«
Joan drückt begeistert ihre Zigarette aus. »Was genau ist auf deinem kleinen Bootsausflug mit Felix passiert?«
Maria errötet und wendet den Blick ab.
»Oh, verstehe«, sagt Joan. »Freut mich für dich.« Sie steht auf und streicht ihr Kostüm glatt. »Du solltest dich beeilen und dich schnell anziehen. Alles Weitere müssen wir später besprechen.« Sie zwinkert Maria zu.
Maria wartet neben Joan und Christopher, der die Rolle der Jugend spielt, in der Kulisse. Sie beobachtet die erste Gruppe von Tänzern, die normalen Erdbewohner. Sie stellen die Suche der Menschen nach einem Heilsbringer dar. Brauchen wir alle jemand, der uns führt? Wird Felix Marias Führer sein?
Jetzt steht Joan als Pandora auf der Bühne und entzückt die Gruppe, gefolgt von Christopher als unschuldiger Jugend. Bald ist Maria dran. Sie muss als Vision der Jugend erscheinen, als Erscheinung der Tugend. Sie denkt daran, dass Felix ihr aus dem dunklen Zuschauerraum zusieht. Er hat mit Lempert abgesprochen, dass er
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