Verborgene Lust
aufbrechen.«
»Ach«, sagt sie enttäuscht. Sie hatte sich darauf gefreut, vor den anderen Tänzern mit ihrem intellektuellen Filmemacherfreund anzugeben. »Sehe ich dich dann später noch?«
»Maria, Liebes«, er dreht sie zu sich herum und hält sie mit seinem flehenden Blick gefangen. »Bevor wir heute Abend hergekommen sind, habe ich ein Telegramm erhalten. Ich muss nach Frankreich. Noch heute Abend. Es ist sehr dringend.«
Sie sieht ihn fassungslos an. Was erzählt er da? Ihre Beziehung hat gerade erst begonnen; wie kann er sie da jetzt verlassen?
Er küsst sie flüchtig auf die Lippen. »Du musst wieder hineingehen, Liebes«, sagt er und schiebt sie in Richtung Tür.
»Aber wie lange?«, stößt sie hervor.
»Nicht lange … Ich verspreche dir, dass ich in ein paar Wochen wieder zurück bin. Du wirst auf mich warten, oder?«
Während sie tanzt, geht ihr Felix’ Ankündigung nicht aus dem Kopf. Er fährt weg. Noch heute Nacht. Gerade dann, wenn sie sich so sehr in ihn verliebt hat. Wie soll sie es ertragen, von ihm getrennt zu sein, auch wenn es nur für zwei Wochen ist? Und in ihrem Hinterkopf meldet sich noch eine andere Stimme, es ist der Zweifel, der noch immer in ihrem Herzen wohnt. Wird er zurückkommen? Hat er sie dazu verleitet, ihm ihre Unschuld zu opfern und will jetzt nichts mehr mit ihr zu tun haben? Sicher nicht. Sie hat bemerkt, wie er sie angesehen hat, und er hat erklärt, sie sei hervorragend gewesen. Schließlich filmt er sie. All das sagt ihr, dass er nicht lügt, wenn er behauptet, zu ihr zurückzukommen. Sie muss nur Geduld haben und ihm vertrauen. Während sie sich um Konzentration bemüht, raubt ihr die Angst die Fassung. Sie spürt Christophers Bestürzung, sie hört seine geflüsterten Anweisungen. Psyche und Jugend tanzen ihren letzten Tanz, in dem die Kraft der Psyche die Pandoras übersteigt und sie Pandora von der Welt verbannt.
Ich werde nicht zulassen, dass Felix mich fallen lässt, schwört Maria sich aufgebracht, während sie sich um Christopher dreht. Und in dem Moment macht sie einen Fehler. Es ist nur eine kleine Unaufmerksamkeit, aber sie reicht, um beide aus dem Gleichgewicht zu bringen. Maria ist zu weit von Christopher entfernt, er kann sie nicht hochheben. Sie macht einen ungeschickten Schritt nach vorn und steht nun zu dicht vor ihm. Christopher hebt sie dennoch hoch, ist jedoch gezwungen, sie oberhalb der Hüfte zu fassen. Sie zieht stark nach unten und spürt, wie Christopher sich anstrengen muss, um sie zu halten. Maria blickt verzweifelt ins Publikum und stellt sich vor, wie Felix dort mit der Kamera steht und weiß, dass sie fallen wird, dass sie unwiderruflich gedemütigt sein wird.
Valentina
Sobald es hell ist, weckt Valentina Antonella. Ihre Freundin ist noch ein bisschen vom Alkohol benebelt und zunächst etwas verwirrt.
»Wo sind wir?«, fragt sie.
»Sch …« Valentina legt einen Finger auf die Lippen. »Das erzähle ich dir auf dem Heimweg. Ich habe uns ein Taxi gerufen.«
»Aber wo ist Tante Isabella?«
»Das weiß ich nicht«, antwortet Valentina wahrheitsgemäß. »Vielleicht schon zu Hause?«
Sie geht nicht mehr ins Schlafzimmer, um sich von Francesco zu verabschieden. Sie will nur noch von hier weg. Das Gefühl hatte sie bereits gleich nach dem Aufwachen gehabt. Francesco hatte noch tief und fest geschlafen. Er lag mit dem Rücken zu ihr und atmete tief und gleichmäßig. Sie hatte seine unschuldig schlummernde Gestalt betrachtet und sich ernsthaft gefragt, wie sie ihn jemals hatte lieben können. Obwohl sie gestern Nacht miteinander geschlafen hatten, empfand sie im kühlen Morgenlicht nichts mehr für ihn. Vielmehr sehnt sie sich jetzt noch mehr nach Thomas. Das kommt Valentina etwas heuchlerisch vor. Schließlich ist sie gerade noch bereitwillig in die Arme ihres ehemaligen Liebhabers gesunken, doch aus irgendeinem Grund musste sie das tun. Die Angelegenheit war noch nicht abgeschlossen gewesen; jetzt ist sie vorbei. Sie spürt es tief in ihrem Inneren. Sie weiß nicht, was Francesco empfindet, aber sie möchte ihn nicht noch einmal wiedersehen.
Im Taxi fahren Antonella und Valentina durch die leeren Londoner Straßen, in denen dichter Nebel hängt. Die in Weiß gehüllte Welt gibt Valentina ein Gefühl der Schwerelosigkeit, als erlebe sie einen ihrer psychedelischen Träume.
Antonella schmiegt sich neben ihr in den Rücksitz. » Mio dio , was ist letzte Nacht passiert? Ich kann mich an nichts erinnern«, sagt sie gähnend.
»Daran
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