Verborgene Lust
ist der Tequila schuld. Der hat diese Wirkung auf dich«, antwortet Valentina trocken.
»Was ist mit Tante Isabella passiert? Und vor allem, was ist mit Francesco? Hast du mit ihm geschlafen?« Sie sieht Valentina forschend an.
Valentina nickt, und Antonella scheint verwirrt.
»Warum rast du dann im Taxi mit mir nach Hause, anstatt den Tag mit Francesco im Bett zu verbringen und mit ihm Sex zu haben?«
Valentina blickt aus dem Wagenfenster in den undurchdringlichen Nebel, eine Welt ohne Anfang und ohne Ende. Sie hat das Gefühl, ins Nichts zu fahren.
»Vielleicht ist er ja der Richtige, Valentina? Schließlich war er deine erste Liebe«, sinniert Antonella.
Aber Valentina schüttelt den Kopf. »Nein. Es ist zu spät. Er hat mir damals das Herz gebrochen. Ich werde es ihm nicht noch einmal schenken.« Sie traut sich nicht, Antonella von ihren Gefühlen für Thomas zu erzählen.
Ihre Freundin tätschelt ihr die Hand. »Okay.« Sie weiß, dass es sinnlos ist, Valentina zu drängen. »Nun, was ist mit meiner Tante passiert?«
Valentina schweigt einen Augenblick. Sie weiß, wie empört Antonella sein wird, wenn sie von Isabellas Eskapaden mit Peter und Rupert erfährt. Etwas hält sie davon ab, es Antonella zu erzählen. Das ist eine Sache zwischen Isabella und ihrer Nichte, vor allem da Antonella anscheinend ein Auge auf Peter geworfen hatte, bevor sie sich hinlegen musste.
»Ich weiß es nicht«, schwindelt Valentina.
Der dichte Londoner Nebel kriecht Valentina bis in die Knochen. Zitternd läuft sie vom Taxi zum Haus und sieht auf ihre Armbanduhr. Es ist halb sieben, und erst wenige Menschen zieht es auf die Straßen von South Kensington. Antonella geht vor ihr her, öffnet das Eisentor und schleicht über den Weg auf das vornehme Eingangsportal ihrer Tante zu. Valentinas Rücken kribbelt. Sie spürt instinktiv, dass sie beobachtet wird. In der Hoffnung, Thomas hinter sich zu entdecken, dreht sie sich um, weiß jedoch bereits, dass er es nicht ist. Sie hat nur einen Verfolger. Und tatsächlich: In seinem langen schwarzen Mantel und mit dunkler Brille steht Glen im Nebel auf der anderen Straßenseite. Valentina ist zu müde, um sich jetzt mit ihm zu beschäftigen. Außerdem will sie Antonella nicht beunruhigen. Also ignoriert sie Glen, schreitet entschlossen zur Eingangstür und schlägt sie energisch hinter sich zu.
Isabella ist bereits auf und sieht in ihrem maßgeschneiderten Kostüm tadellos aus. Die langen Haare hat sie zu einem festen, glänzenden Knoten hochgesteckt, und ihr Gesicht wirkt frisch. Sie sitzt am Küchentresen, nippt an einem kleinen schwarzen Kaffee und arbeitet an ihrem iPhone.
»Guten Morgen, die Damen«, sagt sie mit süßem Lächeln. »So früh habe ich euch nicht erwartet.«
»Wo warst du, Tantchen?« Antonella lässt sich auf das Sofa fallen. »Du bist einfach verschwunden.«
» Du bist verschwunden, Liebes. Ich glaube, du bist ins Bett gegangen. Und zwar allein!«
An den Nägeln kauend, blickt Antonella aus dem Fenster. »Es ist komisch«, überlegt sie. »Als ich mit diesem Kerl, mit Peter, getanzt habe, dachte ich, es würde etwas zwischen uns passieren. Aber dann habe ich an Mikhail gedacht.«
»Deinen russischen Geliebten?«, erkundigt sich Isabella.
»Ja. Ich glaube, ich vermisse ihn.«
Isabella lächelt wissend. »Liebes, ich glaube, du vermisst ihn nicht nur. Was meinst du, Valentina?«
Valentina nimmt einen Becher aus dem Schrank und schenkt sich einen Kaffee ein. Sie sehnt sich nach einer Dusche; die Haut unter ihrem Kleid klebt von der getrockneten Eiscreme. Ob die anderen den Vanillegeruch wahrnehmen?
»Ich glaube, dass Antonella im Grunde ihres Herzens eine Romantikerin ist. Auch wenn sie alles tut, damit man es nicht bemerkt«, antwortet Valentina.
»Wie meinst du das?«, will Antonella wissen, richtet sich auf und verschränkt abwehrend die Arme über der Brust.
»Dafür muss man sich nicht schämen, Liebes«, erklärt Isabella. »Das ist sehr liebenswert. Ehrlich.«
»Ich glaube, dass du trotz deines verwegenen Auftretens ganz tief in deinem Inneren an das Märchen glaubst«, sagt Valentina, lässt sich neben ihrer Freundin auf dem Sofa nieder und bietet ihr einen Schluck Kaffee an.
»Welches Märchen?«, fragt Antonella und nimmt ihr den Becher ab.
»Dass eines Tages der Prinz kommen wird«, erklärt Isabella.
»Ach, das stimmt nicht. Das halte ich für Unsinn.«
»Ach wirklich? Du weißt, dass die meisten Frauen insgeheim davon träumen.« Isabella
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