Verborgene Macht
dass er ihr nicht folgen würde, und Schuldgefühle und Reue stiegen in ihr auf. Dann hörte sie seine eiligen Schritte hinter sich.
»Cassie, bitte. Es tut mir leid. Ich versuche nur zu helfen.«
Sie blieb stehen und wagte es kaum, ihn anzusehen. »Ich weiß. Ranjit, mir tut es auch leid. Ich weiß nicht, warum ich so ausgerastet bin. Es ist einfach der Stress, das Zusammentreffen mit dem Ältestenrat und jetzt Jake ...«
»Schon gut.« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, dann strich er ihr sachte übers Gesicht. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn in eine stille Ecke.
»Also«, begann sie, während sie unsicher in Ranjits ebenmäßiges Gesicht aufblickte, »es gibt da noch etwas, das du wissen musst. Jake weiß, dass Katerina in New York ist. Er hat versucht, sie zu finden. Er will Gerechtigkeit für Jess. Ich denke, er hat sich möglicherweise in das
Computersystem des FBI eingehackt, um an Akten über den Tod seiner Schwester heranzukommen. Er hat die verrückte Idee, Katerina vor Gericht zu bringen.«
Ranjit erstarrte. »Er hat was getan? Cassie, das ist wirklich ernst. Du musst es Sir Alric erzählen.Wir müssen uns darum kümmern, bevor Jake etwas tut, das wir bedauern werden.«
»Etwas, das wir bedauern werden? Er ist es, um den ich mir Sorgen mache. Hör mal, ich weiß, dass du nicht viele Freunde hast, daher kapierst du es vielleicht nicht...« Cassie verstummte jäh, als sie sah, wie Schmerz über sein Gesicht huschte. Sie holte tief Luft. Mein Gott, was sagte sie da? Sie wollte Ranjit auf gar keinen Fall verletzen. Sie durfte nicht wütend werden, nicht jetzt. Sie musste dafür sorgen, dass er verstand. Schließlich senkte sie die Stimme und begann von Neuem. »Das habe ich nicht so gemeint. Tut mir leid. Aber, Ranjit, bitte, es ist wichtig. Du darfst niemandem von Jake erzählen. Bitte. Ich muss einfach mit ihm reden. Ihm die Dinge erklären.«
»Cassie, das geht über Freundschaft hinaus. Wenn Jake dabei erwischt wird, wie er sich in das FBI-System einhackt, und am Ende alles über die Auserwählten und die Akademie ausplaudert - das könnte schwerwiegende Folgen für uns alle haben.« Er sah sie vielsagend an.
»Das ist mir egal. Was mit der Akademie geschieht, hat nichts damit zu tun.«
Ranjit schüttelte den Kopf. Er schien ebenfalls da rum bemüht, ruhig zu bleiben. »Cassie, das Schicksal der Akademie betrifft auch dich. Das darfst du nicht vergessen.«
Cassie ergriff seine Hände. »Nur ein klein wenig Zeit. Wenn ich ihn nicht dazu überreden kann, die Sache auf sich beruhen zu lassen, dann werden wir es Sir Alric erzählen.« Sie hielt seinem Blick und dem Aufruhr von Gefühlen in seinen Augen stand.
»Okay, Cassie. Ich werde nichts sagen. Ich schwöre es.«
In seinen Augen konnte sie sehen, dass er die Wahrheit sagte, und sie atmete erleichtert auf.
Bist du dir sicher, dass das der beste Weg ist, Cassandra, meine Liebe? Wir müssen tun, was wir können, damit er auf unserer Seite bleibt. Wir dürfen ihn nicht entkommen lassen...
Cassie tat so, als habe sie Estelles Worte nicht gehört: Sie hatte die Nase voll von ihren Einwürfen. »Danke, Ranjit. Vielen Dank. Hör mal, wir sehen uns morgen, in Ordnung?«
»Ja. Wir treffen uns eine Stunde vor der Ratsversammlung in deinem Zimmer.«
»Ja. Wunderbar, ja, natürlich.« Diesmal waren es Tränen, die in ihren Augen brannten. Wie konnte sie jemals auch nur auf den Gedanken kommen, an ihm zu zweifeln? Cassie beugte sich schnell vor und küsste ihn.
Als sie ihn losließ, hielt er sie fest, zog sie wieder an sich und drückte seine Lippen entschlossener auf ihre. Ihr Herz machte einen Sprung, sie schloss die Augen und gab sich seiner Berührung hin - aber nicht allzu sehr. Als er sie losließ und zum Abschied lächelte, hielt sie einen Moment lang benommen inne - angenehm benommen. Sie konnten das schaffen. Was immer aus dem Gleichgewicht geraten war, was immer ihre extremen Gefühle verursachte, sie würden damit klarkommen. Sie konnten es schaffen.
In diesem Moment bemerkte sie Sir Alric.
Er hatte sie beobachtet. Sie fröstelte und das wohlige Gefühl war dahin. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war umwölkt, aber berechnend.
»Cassandra. Kann ich für einen Moment mit Ihnen sprechen?« Sir Alric trat auf sie zu.
Oh, nein. Sie hatte im Augenblick schon genug Probleme und sie hatte genug Missbilligung erfahren. Ihre Beziehung zu Ranjit ging den Mann absolut nichts an. Mit einem trotzigen Blick und einem Kopfschütteln
Weitere Kostenlose Bücher