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Verborgene Macht

Verborgene Macht

Titel: Verborgene Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Poole
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schließlich zu einem Spaziergang aufgerafft, um den Kopf freizubekommen. In der Stille des Zimmers lief Cassie auf und ab. In fünfunddreißig Minuten sollte sie sich mit den Ältesten treffen, und sie hätte mit Ranjit vorher gern noch ein bisschen geredet, um ihre Nerven zu beruhigen. Wenigstens machte sie sich keine allzu großen Sorgen über ihre bevorstehende Auseinandersetzung; dafür beunruhigte sie die Frage, wo Ranjit war, jetzt viel zu sehr. Sie hatte versucht, ihn zu erreichen, um ihm zu erzählen, was mit Jake geschehen war, aber er ging nicht an sein Handy, und in seinem Zimmer war er auch nicht.
    Es sah ihm gar nicht ähnlich, sein Wort zu brechen. War etwas passiert? Ein ängstliches Frösteln überlief sie. So, wie die Dinge sich in letzter Zeit entwickelt hatten ...
    Abermals warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr, auf die unausweichlich verrinnenden Minuten. Hatte sie etwas Falsches gemacht oder gesagt? Gestern hatten sie sich wegen Jake gestritten, aber Ranjit hatte sich nicht in das Thema verbissen. Außerdem hatte jemand anderer ihnen das Problem jetzt aus der Hand genommen. Und so, wie er sie geküsst hatte, hatte er keinen Zweifel daran gelassen, wie er zu ihr stand.
    Doch er war ein solches Rätsel. Und manchmal irgendwie undurchschaubar. Konnte er etwas über ihre Macht in Erfahrung gebracht haben, etwas, das ihn aufgehalten hatte? In diesem Fall hätte er wenigstens anrufen können. All dieses Gerede, dass er für sie da sein wolle ... Wo, verdammt noch mal, war er dann, wenn sie ihn einmal wirklich brauchte? Ärger regte sich in Cassie.
    Vielleicht ist deine Macht über ihn nicht groß genug, meine Liebe. Was habe ich dir gesagt...?
    »Nicht jetzt, Estelle«, erwiderte Cassie zwischen zusammengepressten Zähnen.
    Es klopfte an der Tür und ihr Zorn verrauchte. Erleichtert atmete Cassie auf. Okay, jetzt konnte sie vergeben und vergessen: Er hatte es geschafft, und es kümmerte sie nicht, dass er sich verspätet hatte. Sie riss die Tür auf.
    Blinzelnd starrte Cassie die Person vor der Tür an. Statt Ranjit stand dort der vierschrötige, grobschlächtige Portier Marat. Der Mann, der solche Freude daran gehabt hatte, sie festzuhalten, während Sir Alric ihr die Tränen injiziert hatte. Und sie hatte nicht das Gefühl, dass
    er sich deshalb gefreut hätte, weil sie endlich Nahrung bekam.
    Marat machte eine ruckartige Kopfbewegung und trat zur Seite.
    »Jetzt? Ich muss jetzt mitkommen?« Voller Panik sah Cassie auf ihre Armbanduhr.
    Marat nickte wortlos, und es schien keinen Sinn zu haben, Einwände zu erheben. Cassie warf einen letzten bedauernden Blick in ihr Zimmer, zog ihren Mantel an, schloss die Tür und folgte dem Portier. Ranjit würde nachkommen müssen. Wahrscheinlich wusste er, wohin sie gingen.
    Da fiel ihr etwas ein. »Wohin gehen wir?«
    Keine Antwort.
    »Hm, ist es weit?«
    Der Portier schüttelte langsam den Kopf.
    »Sie sind wirklich eine sprudelnde Quelle an Informationen.«
    Als sie Marat durch die Tür der Akademie auf die Fifth Avenue folgte, ließ ein Schwall kalter Luft sie bis auf die Knochen frösteln.
    Ranjit, dachte sie, bitte, beeil dich ...
    Es schneite wieder, aber nicht die dicken, weichen Flocken, die die Stadt verzauberten. Sondern windgepeitschter Schneeregen, der sich noch im Fallen in Matsch verwandelte. Der Wind war schneidend kalt. Cassie wollte nicht länger als notwendig auf dem Bürgersteig herum- stehen; kaum dass Marat die Tür geöffnet hatte, stieg sie in den schwarzen Wagen und kuschelte sich zum Trost in Isabellas Vikunja-Pullover.
    Marat hatte nicht gescherzt, als er sagte, dass es nicht weit sei. Er fuhr sie auf der Fifth Avenue in südlicher Richtung und am Central Park vorbei, aber nur bis zur 42nd Street. Cassie schaute nervös aus dem Fenster und wünschte sich verzweifelt, dort draußen inmitten der Lichter und der umherhastenden Menschenmenge zu sein — selbst im wirbelnden Schnee -, wenn sie nur nicht allein vor die Ältesten hätte hintreten müssen.
    Allein. Sie hätte nicht allein sein dürfen.
    »Du hast das Recht auf einen Beistand«, hatte Ranjit gesagt. »Ich werde dich nicht allein hingehen lassen ...«
    Und doch sah es bisher ganz so aus, als würde er genau das tun. Er hatte sie sich selbst überlassen und jetzt war sie allein. Auch gut. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie allein mit etwas fertig wurde. Das ging schon in Ordnung.
    Wenn sie nur nicht solche Angst hätte.
    Marat war stehen geblieben. Cassie wollte nicht, dass

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