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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Ausbildung so weit verdrängt,
dass heutzutage sein Organismus selbst das leiseste Echo davon aufs heftigste bekämpfte. Und doch
hatte er in jener extremen Situation Freundschaft gefunden, Brüderlichkeit, Kameradschaft, wie
immer man es nennen mochte. Und er hatte mehr über sich gelernt, als menschliche Wesen das
normalerweise tun. Er hatte so viel gelernt.
Seinen Geist hatte man nicht brechen können. Er hatte die Ausbildung glanzvoll bestanden. Doch
dann war der Nervenzusammenbruch gekommen.
Genug. Er setzte sich in Bewegung und richtete sich an dem Gedanken auf, dass er morgen frei
hatte. Er würde den Tag mit Lesen und Schlafen verbringen und sich dann für die Party
zurechtmachen, für die Party von Cathy Jackson.
Und der Tag darauf, der Sonntag, würde einer der seltenen Tage sein, die er mit seiner Tochter
verbrachte. Dann würde er vielleicht herausfinden, wer hinter den Spinnerbriefen
steckte.
----
VIII
    Das Mädchen wachte mit einem trockenen, salzigen Geschmack im Mund auf. Sie fühlte sich
schläfrig und benommen und fragte sich, wo sie war. Sie war in seinem Auto eingeschlafen. Davor
war sie überhaupt nicht müde gewesen, bis er ihr den Riegel Schokolade gegeben hatte. Jetzt war
sie wach, aber nicht zu Hause in ihrem Zimmer. In diesem Zimmer hier hingen Bilder an der Wand,
Bilder, die aus Zeitschriften ausgeschnitten waren. Einige waren Fotos von Soldaten mit grimmigen
Gesichtern, andere von Mädchen und Frauen. Eine Gruppe von Polaroid-Aufnahmen sah sie sich
besonders genau an. Darunter war auch ein Foto von ihr, wie sie in diesem Bett schlief, die Arme
weit ausgebreitet. Sie öffnete den Mund und stöhnte leise auf.
Im Wohnzimmer hörte er, wie sie sich bewegte, während er die Garrotte vorbereitete.

In jener Nacht hatte Rebus mal wieder einen seiner Alpträume. Auf einen lang anhaltenden Kuss
folgte eine Ejakulation, sowohl im Traum als auch in der Realität. Er wachte darüber sofort auf
und säuberte sich. Der Hauch des Kusses war immer noch um ihn, klebte an ihm wie eine Aura. Er
schüttelte den Kopf, um sich davon zu befreien. Er brauchte unbedingt eine Frau. Als er sich an
die bevorstehende Party erinnerte, entspannte er sich ein wenig. Doch seine Lippen waren trocken.
Er tapste in die Küche, wo er eine Flasche Limonade fand. Sie war zwar abgestanden, aber sie
erfüllte ihren Zweck. Dann stellte er fest, dass er immer noch betrunken war und einen Kater
kriegen würde, wenn er nicht vorsorgte. Er goss sich drei Gläser Wasser ein und zwang sie
hinunter.
Erfreut bemerkte er, dass die Zündflamme noch brannte. Das war ein gutes Zeichen. Nachdem er
wieder ins Bett gekrochen war, dachte er sogar noch daran, seine Gebete zu sprechen. Das würde
den Großen Mann da oben überraschen. Er würde es sich in seinem goldenen Buch notieren - Rebus
hat heute Nacht an mich gedacht. Vielleicht wurde er ihm dafür morgen einen schönen Tag
schenken.
Amen.
----
IX
    Michael Rebus liebte seinen BMW genauso sehr, wie er das Leben liebte, vielleicht sogar noch
ein bisschen mehr. Während er über die Autobahn raste und der Verkehr zu seiner Linken sich kaum
zu bewegen schien, hatte er das Gefühl, dass sein Auto auf seltsame und befriedigende Weise das
Leben war. Die Motorhaube in den hellen Horizont gerichtet jagte er der Zukunft entgegen, immer
mit Vollgas und ohne auf irgendwas oder irgendwen Rücksicht zu nehmen.
So gefiel es ihm, solider, schneller Luxus auf Knopfdruck. Er trommelte mit den Fingern auf dem
Lederlenkrad, spielte an dem Radiorecorder herum und legte den Kopf behaglich gegen die
gepolsterte Kopfstütze. Oft träumte er davon, einfach abzuhauen, Frau und Kinder und das Haus
zurückzulassen, nur das Auto und er. Auf jenen fernen Punkt zuzurasen, niemals anzuhalten, außer
um zu essen und aufzutanken, immer weiter zu fahren, bis er starb. Das schien ihm das Paradies zu
sein, und es war völlig ungefährlich, sich diesen Fantasien hinzugeben, denn er wusste, er würde
es niemals wagen, das Paradies in die Praxis umzusetzen.
Als er sein erstes Auto besaß, war er manchmal mitten in der Nacht aufgewacht und hatte die
Vorhänge geöffnet, um zu sehen, ob es noch draußen auf ihn wartete. Manchmal war er um vier oder
fünf Uhr morgens aufgestanden, um ein paar Stunden durch die Gegend zu fahren, und war erstaunt,
welche Entfernungen er in so kurzer Zeit zurücklegen konnte. Er fühlte sich wohl auf den stillen
Straßen, nur mit Kaninchen und Krähen als

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