Verborgene Muster
Gesellschaft, die Hand auf der Hupe, deren Lärm ganze
Vogelschwärme aufscheuchte und erschrocken davonflattern ließ. Diese innige Beziehung zu Autos
hatte er nie verloren, diesen Quell seiner Träume.
Heutzutage starrten die Leute sein Auto an. Manchmal parkte er es irgendwo auf der Straße in
Kirkcaldy und postierte sich in der Nähe, um zu beobachten, wie die Leute ihn um dieses Auto
beneideten. Die jüngeren Männer, voller Wagemut und Zuversicht, pflegten hineinzuschauen,
starrten auf das Leder und die Instrumente, als ob sie exotische Tiere im Zoo betrachteten. Die
älteren Männer, manche mit Ehefrau im Schlepptau, warfen nur einen kurzen Blick auf den Wagen.
Manchmal spuckten sie hinterher auf die Straße, weil sie wussten, dass dieses Auto all das
repräsentierte, was sie selbst gewollt, aber nicht erreicht hatten. Michael Rebus hatte seinen
Traum verwirklicht, und es war ein Traum, den er sich anschauen konnte, wann immer er
wollte.
In Edinburgh kam es allerdings ganz darauf an, wo man parkte, damit ein Auto Aufmerksamkeit
erregen würde. Er hatte mal auf der George Street geparkt, und im selben Augenblick kam ein
Rolls-Royce angerauscht und stellte sich hinter ihn. Wutschnaubend hatte er den Wagen wieder
angelassen und war weitergefahren. Schließlich hatte er dann vor einer Diskothek geparkt. Er
wusste, wenn man einen teuren Wagen vor einem Restaurant oder einer Diskothek abstellte, würden
manche Leute einen für den Besitzer dieses Etablissements halten, eine Vorstellung, die ihm
ungeheuer behagte. Das hatte sofort die Erinnerung an den Rolls-Royce ausgelöscht und ihn mit
neuen Versionen des Traumes erfüllt.
An Ampeln anzuhalten konnte ebenfalls aufregend sein, außer wenn gerade irgend so ein dämlicher
Motorradfahrer auf einer großen Maschine röhrend hinter ihm stehen blieb, oder - noch schlimmer -
neben ihm. Einige dieser Motorräder waren auf Beschleunigung getrimmt. Mehr als einmal war er
beim Losspurten an einer Ampel gnadenlos geschlagen worden. Auch daran erinnerte er sich nicht
gern.
Heute parkte er da, wo man ihm gesagt hatte, er solle parken, nämlich auf dem Parkplatz oben auf
dem Calton Hill. Durch die Windschutzscheibe konnte er hinüber nach Fife sehen, und durch die
Heckscheibe sah er die Princes Street wie eine Spielzeugkulisse daliegen. Auf dem Hügel war es
ruhig. Die Touristensaison hatte noch nicht richtig begonnen, und es war kalt. Er wusste, dass es
hier nachts heiß herging. Verfolgungsjagden mit dem Auto, junge Frauen und Männer, die auf
Kundschaft hofften, Partys am Strand von Queensferry. Edinburghs schwule Gemeinde mischte sich
unter diejenigen, die nur neugierig oder einsam waren, und ab und zu sah man ein Pärchen Hand in
Hand auf dem Friedhof unten am Hügel verschwinden. Wenn es dunkel wurde, wurde das östliche Ende
der Princes Street ein Territorium mit ganz eigenen Regeln, wo so richtig die Post abging und
alles geteilt wurde. Aber er hatte nicht vor, sein Auto mit irgendwem zu teilen. Sein Traum war
ein verletzliches Wesen.
Er schaute über den Firth of Forth nach Fife hinüber, das aus der Ferne ziemlich eindrucksvoll
aussah, bis das Auto des Mannes sich langsam näherte und neben ihm hielt. Michael rutschte auf
den Beifahrersitz und ließ das Fenster herunter, während der Mann gleichzeitig seins
herunterkurbelte.
»Hast du den Stoff?«, sagte er.
»Natürlich«, sagte der Mann und sah in seinen Rückspiegel. Einige Leute, ausgerechnet eine
Familie, kamen gerade über die Kuppe. »Wir sollten lieber einen Moment warten.«
Sie starrten mit ausdruckslosen Gesichtern in die Gegend.
»Gibt es irgendwelche Probleme drüben in Fife?«, fragte der Mann.
»Nein.«
»Es wird erzählt, dass dein Bruder dich besucht hat. Stimmt das?« Die Augen des Mannes waren
hart. Alles an ihm war hart. Doch das Auto, das er fuhr, war eine Klapperkiste. Michael fühlte
sich vorläufig sicher.
»Ja, aber das hatte nichts zu bedeuten. Es war bloß der Todestag unseres Vaters. Weiter
nichts.«
»Er weiß also nichts?«
»Absolut nichts. Hältst du mich für blöd oder was?«
Ein Blick des Mannes brachte Michael zum Schweigen. Es war ihm ein Rätsel, wie dieser Mann ihm
solche Angst einflößen konnte. Er hasste diese Treffen.
»Wenn irgendwas passiert«, sagte der Mann gerade, »wenn irgend etwas schief geht, bist du dran.
Das ist mein Ernst. Halt dich in Zukunft von dem Dreckskerl fern.«
»Es war doch nicht meine Schuld. Er schneite einfach bei
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