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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sehen gibt, und noch mehr. Ich sah, wie Gordons Gesicht sich
meinem näherte und wie er ganz langsam - so langsam, als würde es überhaupt nicht geschehen,
einen flüchtigen Kuss auf meinen Hals drückte und dabei versuchte, meinen Kopf zu drehen, um die
Lippen berühren zu können.
Und ich sah mich bereits nachgeben. Nein, nein, das durfte nicht passieren. Das war unerträglich.
Das konnte es doch nicht sein, worauf wir all die Wochen hingearbeitet hatten? Und wenn es das
war, dann war ich die ganze Zeit ein Idiot gewesen.
»Nur einen Kuss«, sagte er, »nur einen einzigen Kuss, John. Verdammt, nun komm schon.« Und er
hatte Tränen in den Augen, weil auch er erkannte, dass plötzlich alles heillos durcheinander
geraten war. Auch er konnte sehen, dass da etwas endete. Aber das hielt ihn nicht davon ab, sich
von hinten an mich heranzuschieben und das Tier mit den zwei Rücken zu machen. (Shakespeare.
Lasst es mir durchgehen.) Und ich zitterte, war aber auf seltsame Art unfähig, mich zu bewegen.
Ich wusste, dass ich dieser Situation nicht gewachsen war, dass sie nicht mehr meiner Kontrolle
unterlag. Also blinzelte ich so lange, bis meine Augen zu tränen und meine Nase zu laufen
anfingen.
»Nur einen Kuss.«
Die ganze Ausbildung, die ganze Quälerei für dieses letzte tödliche Ziel, und alles war nur auf
diesen Moment hinausgelaufen. Letztlich war Liebe wohl immer die treibende Kraft.
»John.«
Und ich konnte nur Mitleid für uns beide empfinden, wie wir hier stinkend, besudelt und nutzlos
in unserer Zelle hockten. Ich empfand nur das Frustrierende an der Sache, spürte die erbärmlichen
Tränen über etwas, das ich mein Leben lang abgelehnt hatte. Gordon, Gordon, Gordon.
»John...«
Die Zellentür flog auf, als ob sie nie abgeschlossen gewesen wäre.
Ein Mann stand da. Englisch, nicht ausländisch, und von hohem Rang. Er betrachtete das ihm
dargebotene Schauspiel mit einigem Widerwillen. Zweifellos hatte er die ganze Zeit zugehört, wenn
nicht sogar zugesehen. Er zeigte auf mich.
»Rebus«, sagte er. »Sie haben bestanden. Sie sind jetzt auf unserer Seite.«
Ich sah ihn an. Was meinte er? Doch ich wusste ganz genau, was er meinte.
»Sie haben den Test bestanden, Rebus. Kommen Sie. Kommen Sie mit mir. Wir werden Ihnen jetzt Ihre
Ausrüstung verpassen. Ihr... Freund wird weiter verhört. Sie werden uns von jetzt an bei dem
Verhör helfen.«
Gordon sprang auf. Er war immer noch direkt hinter mir. Ich konnte seinen Atem in meinem Nacken
spüren.
»Was meinen Sie?«, sagte ich. Mein Mund und meine Kehle waren ganz trocken. Beim Anblick dieses
Offiziers in seinen frisch gestärkten Sachen wurde mir in peinlicher Weise bewusst, wie schmutzig
ich war. Aber andererseits war das ja seine Schuld. »Das ist ein Trick«, sagte ich. »Es muss
einer sein. Ich werde Ihnen gar nichts sagen. Und ich werde erst recht nicht mit Ihnen gehen. Ich
habe keine Informationen weitergegeben. Ich bin nicht zusammengebrochen. Sie können mich jetzt
nicht durchfallen lassen!« Mittlerweile war ich ganz außer mir, fast wie im Delirium. Doch ich
wusste, dass er die Wahrheit sagte. Er schüttelte bedächtig den Kopf.
»Ich kann Ihr Misstrauen verstehen, Rebus. Sie haben unter großem Druck gestanden. Unter höllisch
großem Druck. Aber das ist nun vorbei. Sie haben nicht versagt, Sie haben bestanden, und zwar
hervorragend. Ich denke, das können wir mit Sicherheit sagen. Sie haben bestanden, Rebus. Sie
sind jetzt auf unserer Seite. Sie werden uns jetzt helfen, Reeve kleinzukriegen. Verstehen
Sie?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das ist ein Trick«, sagte ich. Der Offizier lächelte verständnisvoll. Er hatte schon hundertmal
mit Leuten wie mir zu tun gehabt.
»Hören Sie«, sagte er, »kommen Sie einfach mit uns, und wir werden alles klarstellen.«
Gordon war mit einem Satz an meiner Seite.
»Nein!«, schrie er. »Er hat doch gesagt, dass er nicht daran denkt mitzukommen. Jetzt verpissen
Sie sich endlich!« Dann sagte er zu mir, eine Hand auf meine Schulter gelegt: »Hör nicht auf ihn,
John. Das ist ein Trick. Diese Schweine versuchen einen immer reinzulegen.« Aber ich merkte, dass
er beunruhigt war. Seine Augen blinzelten hektisch, sein Mund stand leicht offen. Und während ich
seine Hand an meiner Schulter fühlte, wusste ich, dass meine Entscheidung bereits gefallen war,
und Gordon schien das ebenfalls zu spüren.
»Ich glaube, das muss Trooper Rebus selbst entscheiden, meinen Sie nicht?«, sagte der

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