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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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schwerer, das Verbrechen
aufzuspüren, aber es war trotzdem da. Edinburgh war eine schizophrene Stadt, die Stadt von Jekyll
& Hyde natürlich, von Deacon Brodie, von Pelzmänteln ohne Schlüpfer drunter (wie man im
Westen sagte). Aber es war außerdem eine kleine Stadt, und das würde Rebus' Vorteil sein.
Er suchte in den Spelunken, in denen harte Männer tranken, in den Wohnsiedlungen, wo Heroin und
Arbeitslosigkeit an der Tagesordnung waren, denn er wusste, in dieser Anonymität konnte ein
harter Mann sich irgendwo verstecken, seine Pläne schmieden und überleben. Er versuchte, in
Gordon Reeves Haut zu schlüpfen. Es war allerdings eine Haut, die schon viele Male abgestreift
worden war, und Rebus musste sich schließlich eingestehen, dass er weiter von seinem
geisteskranken, mörderischen Blutsbruder entfernt war als je zuvor. So wie er damals Gordon Reeve
seinem Schicksal überlassen hatte, würde Reeve sich jetzt weigern, sich ihm zu zeigen. Vielleicht
würde ein weiterer Brief kommen, ein weiterer neckischer Hinweis. O Sammy, Sammy, Sammy. Bitte,
lieber Gott, lass sie leben, lass sie leben.
Gordon Reeve hatte sich einfach über Rebus' Welt erhoben.
Jetzt schwebte er irgendwo über ihm und weidete sich an seiner neu gefundenen Macht. Er hatte
fünfzehn Jahre gebraucht, um diesen Trick hinzukriegen, aber mein Gott, was für ein Trick. In
diesen fünfzehn Jahren hatte er vermutlich seinen Namen und sein Aussehen geändert, einen
einfachen Job angenommen und alles über Rebus in Erfahrung gebracht, was herauszukriegen war. Wie
lange hatte dieser Mann ihn schon beobachtet? Ihn beobachtet und gehasst und Pläne geschmiedet?
All die Male, wo er ohne Grund eine Gänsehaut gespürt hatte, wo das Telefon klingelte, ohne dass
sich jemand meldete, oder irgendwelche kleinen Missgeschicke passierten, die man rasch wieder
vergaß. Und Reeve hatte grinsend über ihm geschwebt, ein kleiner Gott, der mit Rebus' Schicksal
spielte. Rebus schauderte. Aus lauter Frust ging er in ein Pub und bestellte einen dreifachen
Whisky.
»Hier ist der Einfache schon fast 'n Doppelter, Kumpel. Willst du wirklich einen
Dreifachen?«
»Klar doch.«
Was soll's. War doch eh alles egal. Wenn Gott da oben in seinem Himmel so sehr beschäftigt war,
dass er sich nur ab und zu runterbeugen und seinen Geschöpfen zuwenden konnte, dann war das in
der Tat eine sehr merkwürdige Art von Zuwendung. Als er sich umschaute, bemerkte er um sich
nichts als Verzweiflung. Alte Männer saßen vor ihren Half-pint-Gläsern und starrten mit leeren
Augen zum Eingang. Fragten sie sich, was da draußen sein mochte? Oder hatten sie bloß Angst, dass
- was auch immer da draußen war - es sich eines Tages gewaltsam Einlass verschaffen, gnadenlos
ihre Schwächen bloßlegen und über sie kommen konnte mit dem Zorn eines alttestamentarischen
Monsters, eines Behemoth, mit der Wucht einer zerstörerischen Flut? Er konnte nicht sehen, was
sich hinter ihren Augen verbarg, genauso wenig wie sie hinter seine blicken konnten. Allein diese
Fähigkeit, nicht mit allen anderen mitleiden zu müssen, hielt die Menschheit am Leben. Man
konzentrierte sich auf das »Ich« und mied die Bettler mit ihren ausgestreckten Armen. Insgeheim
hatte Rebus angefangen zu beten. Er flehte seinen merkwürdigen Gott an, dass er ihm erlauben
würde, Reeve zu finden, damit er sich vor diesem Verrückten endlich rechtfertigen könnte. Gott
antwortete nicht. Aus dem Fernseher plärrte eine banale Quiz-Show.
»Kampf gegen Imperialismus, Kampf gegen Rassismus.«
Eine junge Frau in einer Kunstlederjacke und mit einer kleinen runden Brille stand hinter Rebus.
Er drehte sich zu ihr um. In einer Hand hielt sie eine Sammelbüchse, in der anderen einen Stapel
Zeitungen.
»Kampf gegen Imperialismus, Kampf gegen Rassismus.«
»Das sagtest du bereits.« Schon jetzt spürte er, wie der Alkohol seine Zunge löste. »Von wem
kommst du?«
»Revolutionäre Arbeiterpartei. Das imperialistische System kann nur zerschlagen werden, wenn sich
die Arbeiter vereinigen und den Rassismus zerschlagen. Rassismus ist das Rückgrat der
Unterdrückung.«
»Ach ja? Verwechselst du da nicht zwei ganz unterschiedliche Dinge, meine Liebe?«
Sie funkelte ihn zornig an, war aber bereit, mit ihm zu diskutieren. Das waren sie immer.
»Die beiden sind unlösbar miteinander verbunden. Der Kapitalismus wurde auf Sklavenarbeit
errichtet und wird durch Sklavenarbeit aufrechterhalten.«
»Du hörst dich aber nicht

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