Verborgene Muster
vertreiben und damit das Leben Ihrer Tochter in Gefahr bringen. Andererseits wäre ein Appell an
die Öffentlichkeit die bei weitem schnellste Möglichkeit, ihn zu finden.«
»Sie können doch unmöglich...!« Gill Templer stand in dem stillen Raum kurz vorm Explodieren,
doch Wallace brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»In diesem Stadium denke ich nur laut, Inspector Templer, gehe einfach mal verschiedene
Möglichkeiten durch.« Anderson saß wie ein Toter da, den Blick auf den Boden gerichtet. Wegen des
Trauerfalls war er zwar offiziell beurlaubt, hatte aber darauf bestanden, den Fall weiterhin
mitverfolgen zu dürfen, und Superintendent Wallace hatte zugestimmt.
»Natürlich ist es ausgeschlossen, John«, sagte Wallace gerade, »dass Sie weiter an dem Fall
arbeiten.«
Rebus stand auf.
»Setzen Sie sich, John. Bitte.« Die Augen des Super waren hart und ehrlich, die Augen eines
echten Polizisten, eines Polizisten der alten Schule. Rebus setzte sich wieder. » Ob Sie mir das
glauben oder nicht, ich weiß schon, wie Sie sich fühlen. Aber hier steht jetzt zu viel auf dem
Spiel. Für uns alle. Sie sind zu sehr persönlich betroffen, um objektiv von Nutzen zu sein, und
es würde in der Öffentlichkeit einen Aufschrei von wegen Selbstjustiz geben. Das müssen Sie doch
einsehen.«
»Ich sehe nur, dass Reeve vor nichts zurückschrecken wird, wenn ich abtauche. Er hat es einzig
und allein auf mich abgesehen.«
»Ganz genau. Und wäre es nicht blöd von uns, Sie ihm auf dem Tablett zu servieren? Wir werden
tun, was wir können, alles, was Sie auch tun würden. Überlassen Sie es uns.«
»Die Armee wird Ihnen nichts sagen, und das wissen Sie auch.«
»Die werden uns Auskunft geben müssen.« Wallace begann mit seinem Stift herumzuspielen, als ob er
einzig zu diesem Zweck da läge. »Letztlich haben sie denselben Boss wie wir. Man wird sie dazu
zwingen.«
Rebus schüttelte den Kopf.
»Die haben ihre eigenen Gesetze. Der SAS ist praktisch noch nicht mal Teil der Armee. Wenn die
Ihnen nichts sagen wollen, dann werden die Ihnen auch nichts sagen, das können Sie mir glauben.«
Rebus' Hand knallte auf den Schreibtisch. »Aber auch gar nichts.«
»John.« Gill drückte seine Schulter und bat ihn, ruhig zu sein. Sie sah zwar selbst aus wie eine
Furie, aber sie wusste, wann sie den Mund halten musste und ihr Missfallen und ihren Zorn nur
durch Blicke zum Ausdruck bringen durfte. Für Rebus zählten jedoch nur noch Taten. Zu lange schon
hatte er die Realität verdrängt.
Er stand von seinem kleinen Stuhl auf, als wäre er nur noch geballte Energie, kein menschliches
Wesen mehr, und verließ schweigend den Raum. Der Superintendent sah Gill an.
»Er ist raus aus dem Fall, Gill. Das muss man ihm klarmachen. Ich habe den Eindruck, dass Sie«,
er hielt inne, öffnete eine Schublade und schob sie wieder zu, »dass Sie und er in einem gewissen
Einvernehmen stehen. So hätte man es zumindest zu meiner Zeit ausgedrückt. Vielleicht sollten Sie
ihm nahe bringen, in was für einer Situation er sich befindet. Wir werden diesen Mann schnappen,
aber nicht mit einem Rebus, der auf Rache aus ist.« Wallace sah zu Anderson, der ihn ausdruckslos
anstarrte. »Und wir wollen keine Selbstjustiz«, fuhr er fort. »Nicht hier in Edinburgh. Was
sollen denn die Touristen denken?« Ein eisiges Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Er
blickte von Anderson zu Gill, dann stand er von seinem Stuhl auf. »Das wird allmählich ganz
schön...«
»Verwickelt?«, schlug Gill vor.
»Ich hätte sagen wollen inzestuös. Angefangen mit Chief Inspector Anderson hier. Sein Sohn und
Rebus' Frau, Sie selbst mit Rebus, Rebus und dieser Reeve, Reeve und Rebus' Tochter. Ich hoffe,
dass die Presse keinen Wind davon kriegt. Sie sind dafür verantwortlich, dass niemand was
erfährt, und wenn doch einer was spitzkriegt, dann müssen Sie halt Druck machen. Habe ich mich
klar ausgedrückt?«
Gill Templer nickte und musste dabei ein plötzliches Gähnen unterdrücken.
»Gut.« Der Super nickte zu Anderson hinüber. »Und jetzt sorgen Sie dafür, dass Chief Inspector
Anderson sicher nach Hause kommt.«
Während er hinten im Wagen saß, ging William Anderson in Gedanken seine Informanten und Freunde
durch. Er kannte ein paar Leute, die über den Special Air Service Bescheid wissen könnten. So
etwas wie der Fall Rebus-Reeve konnte doch nicht völlig vertuscht worden sein, selbst wenn er aus
den Akten gestrichen worden war. Die
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