Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
gerade nach einer Sklavin an. Wo hast du diesen Akzent her?
Cheltenham?«
»Mein Vater war ein Sklave der kapitalistischen Ideologie. Er wusste nicht, was er tat.«
»Das heißt, du warst auf einer teuren Schule?«
Sie sprühte jetzt richtig vor Zorn. Rebus zündete sich eine Zigarette an. Auch ihr bot er eine
an, aber sie schüttelte den Kopf. Ein kapitalistisches Produkt, nahm er an, für das die Blätter
in Südamerika von Sklaven gepflückt wurden. Sie war eigentlich recht hübsch. Achtzehn oder
neunzehn Jahre alt.
Seltsam viktorianisch aussehende Schuhe hatte sie an, ganz enge spitze Dinger. Und ein langes,
gerade geschnittenes schwarzes Hemd. Schwarz, die Farbe des Protests. Er war immer für
Protest.
»Du bist sicher Studentin?«
»Das stimmt«, sagte sie und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Sie erkannte einen
Käufer, wenn sie einen sah. Das hier war kein Käufer.
»Edinburgh University?«
»Ja?«
»Welche Fächer?«
»Englisch und Politik.«
»Englisch? Hast du schon mal von einem Mann namens Eiser gehört? Er unterrichtet dort.« Sie
nickte.
»Das ist ein alter Faschist«, sagte sie. »Seine Theorie des Lesens ist ein Stück rechter
Propaganda, um dem Proletariat Sand in die Augen zu streuen.«
Rebus nickte.
»Wie hieß deine Partei noch gleich?«
»Revolutionäre Arbeiterpartei.«
»Aber du bist doch Studentin. Keine Arbeiterin, und stammst auch nicht aus dem Proletariat, so
wie du dich anhörst.« Ihr Gesicht war rot, ihre Augen glühten. Wenn die Revolution kam, würde
Rebus als Erster an die Wand gestellt werden. Aber er hatte seine Trumpfkarte noch nicht
ausgespielt. »Also läufst du hier im Grunde unter einem falschen Etikett herum. Und was ist mit
dieser Büchse? Hast du überhaupt eine ordnungsgemäße Konzession, um Geld zu sammeln?«
Die Büchse war alt, ihr ursprünglicher Verwendungszweck nicht mehr zu erkennen. Es war ein
schlichter, roter Zylinder, so wie man sie am Volkstrauertag benutzte. Aber heute war nicht
Volkstrauertag.
»Sind Sie ein Cop?«
»Erraten, Schätzchen. Und hast du eine Konzession? Andernfalls müsste ich dich leider
mitnehmen.«
»Scheiß Bulle!«
Offenbar hielt sie das für die passenden Abschiedsworte, denn sie drehte sich um und ging zur
Tür. Rebus trank kichernd seinen Whisky aus. Armes Ding. Sie würde sich ändern. Der Idealismus
wurde verschwinden, sobald sie sah, wie heuchlerisch das ganze Spiel war und was für einen Luxus
es außerhalb der Universität gab. Nach dem Examen würde sie alles wollen - die leitende Position
in London, die Wohnung, das Auto, ein gutes Gehalt, Weinlokale. Für ein Stück vom Kuchen würde
sie alles über Bord schmeißen, woran sie geglaubt hatte. Aber das würde sie jetzt noch nicht
verstehen. Jetzt lehnte sie sich erst mal gegen ihre Erziehung auf. Das war der Sinn der
Universität. Sie alle glaubten, sie könnten die Welt verändern, sobald sie von den Eltern weg
waren. Rebus hatte das auch geglaubt. Er hatte geglaubt, er würde mit Orden dekoriert und mit
einer Liste von Auszeichnungen von der Armee nach Hause zurückkehren, nur um sie dort vorzeigen
zu können. So war es allerdings nicht gewesen Durch diese Überlegungen nachdenklich gestimmt,
wollte er gerade die Kneipe verlassen, als ihm eine Stimme drei oder vier Barhocker weiter mit
stark schottischem Akzent etwas zurief.
»Das hat noch nie gegen was genutzt, was, mein Sohn?«
Eine alte Frau schenkte ihm diese Perlen der Weisheit aus einem Mund voller Karies. Rebus
beobachtete, wie ihre Zunge in dieser schwarzen Höhle herumfuhr.
»Ja«, sagte er und bezahlte den Barmann, der ihm zum Dank seine grünen Zähne zeigte. Rebus hörte
den Fernseher, das Klingeln der Registrierkasse, das laute Gerede der alten Männer, aber über
dieser ganzen Kakophonie lag ein weiteres Geräusch, tief und rein, doch für ihn viel realer als
alle anderen Geräusche.
Es war Gordon Reeves Schreien.
Lasst mich raus. Lasst mich raus
Aber diesmal wurde es Rebus nicht schwindlig, er geriet auch nicht in Panik und rannte davon. Er
hielt dem Geräusch stand und hörte sich an, was es zu sagen hatte, ließ es so lange über sich
ergehen, bis es seinen Standpunkt klargemacht hatte. Er würde nie wieder vor dieser Erinnerung
davonlaufen.
»Trinken hat noch nie gegen was genutzt, mein Sohn«, fuhr seine persönliche Hexe fort. »Schau
mich an. Früher war ich ja mal ganz proper, aber dann ist mein Mann gestorben, und alles ging den
Bach runter. Weißt du,

Weitere Kostenlose Bücher