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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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für seinen Plan. Und plötzlich schien
es John Rebus genauso plausibel wie zuvor Gill. »Für die, die zwischen den Zeiten lesen können.«
Für die, die mit Büchern zu tun haben, zwischen einer Zeit (Dem Kreuz) und einer anderen (der
Gegenwart). Mein Gott, war denn nichts in seinem Leben willkürlich? Nein, überhaupt nichts.
Hinter dem scheinbar Irrationalen zeichnete sich deutlich ein Muster ab. Hinter dieser Welt lag
eine andere. Reeve war in der Bibliothek, davon war Rebus jetzt absolut überzeugt. Es war fünf
Uhr. Er konnte kurz vor Schließung in der Bibliothek sein. Aber würde Gordon Reeve noch dort sein
oder wäre er weitergezogen, nun, wo er sein letztes Opfer hatte?
Doch Rebus wusste, dass Sammy nicht Reeves letztes Opfer war. Sie war überhaupt kein »Opfer«. Sie
war nur ein weiteres Mittel zum Zweck. Es konnte nur ein Opfer geben - Rebus selbst. Und aus
diesem Grund würde Reeve immer noch in der Nähe sein, immer noch in Rebus' Reichweite. Denn Reeve
wollte gefunden werden, wenn auch langsam, eine Art umgekehrtes Katz-und-Maus-Spiel. Rebus
erinnerte sich an das Katz-und-Maus-Spiel, wie sie es in der Schule gespielt hatten. Manchmal
wollte der Junge, der von einem Mädchen gejagt wurde, oder das Mädchen, das von einem Jungen
gejagt wurde, gefangen werden, weil er oder sie etwas für den Jäger empfanden. Und dadurch wurde
das Ganze etwas anderes, als es nach außen hin zu sein schien. Das war Reeves Spiel. Katz und
Maus, und er war die Maus mit dem Stachel im Schwanz und den scharfen Zähnen, und Rebus war die
Katze, weich wie Seide, geschmeidig wie Fell und ganz mit sich zufrieden. Gordon Reeve hatte
keine Zufriedenheit gekannt, jedenfalls viele Jahre lang nicht, nicht seitdem er von dem einen
betrogen worden war, den er Bruder genannt hatte.
Nur einen Kuss.
Die Maus sitzt in der Falle.
Der Bruder, den ich nie gehabt habe.
Der arme Gordon Reeve, wie er auf diesem schmalen Rohr balancierte, wie ihm die Pisse die Beine
hinunterlief und alle ihn auslachten.
Und der arme John Rebus, der von seinem Vater und seinem Bruder wie Luft behandelt wurde, von
einem Bruder, der kriminell geworden war und irgendwann bestraft werden musste.
Und die arme Sammy. Sie war diejenige, an die er denken sollte. Denk nur an sie, John, und alles
wird wieder gut.
Doch obwohl dies ein ernsthaftes Spiel war, ein Spiel um Leben und Tod, durfte er nicht
vergessen, dass es immer noch ein Spiel war. Rebus wusste jetzt, dass er es mit Reeve zu tun
hatte. Aber wenn er ihn gefasst hatte, was würde dann passieren? Die Rollen würden sich irgendwie
vertauschen. Er kannte noch nicht alle Regeln. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, sie zu
lernen. Er ließ den Kaffee neben dem anderen schmutzigen Geschirr auf dem Couchtisch kalt werden.
Er hatte bereits genug Bitterkeit im Mund.
Und dort draußen in dem stahlgrauen Nieselregen musste ein Spiel beendet werden.
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XXVII
    Der Weg von seiner Wohnung in Marchmont zur Bibliothek wäre eigentlich ein schöner Spaziergang
gewesen, auf dem sich Edinburgh von seiner besten Seite zeigte. Er ging durch eine Grünanlage
namens The Meadows, und direkt vor ihm ragte das große graue Schloss in die Höhe. Über seinen
Schutzmauern wehte eine Fahne im feinen Nieselregen. Er ging am Royal Infirmary vorbei, Stätte
berühmter Namen und Entdeckungen, an Teilen der Universität und am Greyfriars Kirkyard mit der
winzigen Statue von Greyfriars Bobby. Wie viele Jahre hatte dieser kleine Hund neben dem Grab
seines Herrchens gelegen? Wie viele Jahre war Gordon Reeve mit hasserfüllten Gedanken an John
Rebus abends schlafen gegangen? Er schauderte. Sammy, Sammy, Sammy. Er hoffte, er würde die
Gelegenheit bekommen, seine Tochter besser kennen zu lernen. Er hoffte, er könnte ihr sagen, dass
sie schön sei und dass sie sehr viel Liebe in ihrem Leben finden werde. Lieber Gott, hoffentlich
war sie am Leben.
Während er über die George-IV-Brücke ging, die Touristen und anderes Volk zum Grassmarket führte,
in sicherer Entfernung von den Stadtstreichern und Obdachlosen dieser Gegend, diesen Armen der
Neuzeit, die nicht wussten, wo sie hin sollten, dachte John Rebus über einige Dinge nach. Zum
einen würde Reeve bewaffnet sein. Zum anderen könnte er sich verkleidet haben. Er erinnerte sich,
wie Sammy von den Pennern erzählt hatte, die den ganzen Tag in der Bibliothek herumsaßen. Er
konnte einer von ihnen sein. Er fragte sich, was er tun würde, wenn er Reeve

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