Verborgene Sehnsucht
nächste Mahlzeit sein?
Angela schluckte trocken und unterdrückte ein Zittern. Hatte sie ihn in dieser Nacht im McGoverns genährt? Die Vermutung war naheliegend. Zu dumm, dass noch immer alles so verschwommen war. An bestimmte Details – zum Beispiel wie er sie berührt hatte – erinnerte sie sich ganz deutlich. Aber andere Bruchstücke blieben verschwunden. Was wirklich seltsam war. Ihr fotografisches Gedächtnis vergaß nichts. Gut für eine Mordermittlerin. Schlecht für eine Frau, die versuchen wollte zu vergessen, dass die Razorback-Ratte …
Sie zuckte zusammen, schrak vor der Erinnerung zurück und schlug den Deckel der geistigen Kiste so fest zu, dass der Knall in ihrem Verstand widerhallte. Stattdessen hielt sie sich an etwas Schönem fest … an dem Gefühl, das Rikar in ihr auslöste, und an der tiefen Verbindung, die sie spürte, wenn er ihr nahekam.
Sie nahm die Glock in die Hand und spielte mit der Sicherung. Klick-klick-snick … an. Klick-klick-snick … aus. Klick-klick …
»Hey, Ange. Hörst du noch zu?«
Angela blickte auf. Forge hob eine Braue. Sie legte die Glock in ihren Schoß und überlegte, ob sie ihn fragen sollte. Den Spießrutenlauf mit Myst hatte er ohnehin schon hinter sich, also …
Sie zögerte einen Moment lang, wägte das Für und Wider ab. Ach, verdammt. Warum nicht? Rikar war nicht hier, also konnte sie ihn nicht fragen. Und sie wollte es wissen. »Hey, Forge?«
Er hielt den Amethystblick fest auf sie gerichtet und sagte leise: »Aye?«
»Ich habe eine Frage an dich.«
»Schieß los.«
»Wie fühlt es sich an?« Nicht länger in der Lage, seinem Blick standzuhalten, senkte sie den eigenen. Er fiel auf die Waffe, die ihr Trost spendete, auch wenn sie es nicht tun sollte. Eine Glock als Kuscheldecke. Wenn das nicht seltsam war. Und irgendwie gestört. Zweifellos, da kam jede Hilfe zu spät. »Ich meine … wenn ein Krieger sich nährt? Tut es weh, oder …?«
»Das sollte es nicht.« Zwischen seinen Brauen bildete sich eine steile Falte, während er ein Stück Shortbread in der Hand herumdrehte. »Es sollte sich gut anfühlen. Der Frau eine Menge Vergnügen bereiten, wenn sie willig ist.«
»Und wenn sie es nicht ist?«
Mit ernster Miene musterte er sie eine Sekunde lang. Angela widerstand dem Drang, sich zu winden. Wenn sie jetzt zuckte, würde er Bescheid wissen. Zur Hölle. Wahrscheinlich hatte er es ohnehin schon erraten, aber sie würde niemals zugeben, dass die Razorback-Ratte sie … verletzt … hatte. Schlimm genug, dass sie es wusste. Es fühlte. Mit dem Versagen und der Schuld leben musste. Es laut auszusprechen, würde sie umbringen.
»Es ist nicht …« Er hielt inne und legte den Keks zurück in die Dose. »Ich könnte mir vorstellen, dass es sehr schmerzhaft ist, wenn man die Verbindung erzwingt.«
»Oh. Na ja …« Sie löste die verschränkten Finger und rieb sich die feuchten Handflächen an den Oberschenkeln ab. »Frage beantwortet, denke ich.«
Schweigen begegnete ihrem stümperhaften Ablenkungsmanöver und breitete sich vor ihr aus wie die Ewigkeit. Gottverdammt. Sie klang so klein. Verletzlich. Nicht was sie auf irgendeine Art und Weise vorgehabt hatte. Aber verdammte Hölle, sie hatte es einfach wissen und …
»Mir gefällt es, Bastian zu nähren«, sagte Myst in die Stille und lenkte die Unterhaltung von Irrsinnshausen zurück nach Normalingen. »Sehr.«
Angela blinzelte. »Wirklich?«
»Ja. Vor allem, wenn wir … äh … im Bett sind.« Sie schnitt eine Grimasse und warf Forge einen Blick zu. »Das wolltest du jetzt nicht wissen, oder?«
»Ganz sicher nicht«, sagte er missmutig, auch wenn es in seinen Augen blitzte. »Weißt du, Ange, nichts an dieser Sache ist einfach. Nicht, dich unserer Welt anzupassen und die deine zurückzulassen. Nicht, mit dem Mist fertigzuwerden, den du durchgemacht hast. Wenn du es zulässt, wird Rikar dir helfen. Ihn zu nähren, wird dir etwas deiner Angst nehmen. Dir Frieden schenken, während du dich an ihn gewöhnst …« Er hielt inne und warf Myst einen belustigten Blick zu, »äh … im Bett.«
Ihre neue Freundin grinste, als er sie wiederholte.
Angela verdrehte die Augen und wollte sie beide schlagen. »Eine vorübergehende Lösung?«
»Besser, als den Schmerz alleine zu ertragen, oder?«
»Vielleicht«, murmelte sie, bereit ihm diesen Punkt zuzugestehen. »Aber wie soll ich …«
Die Tür wurde aufgestoßen und knallte gegen die Stahlwand hinter ihr. Einen Moment später hallte ein tiefes
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