Verborgene Sehnsucht
zusammen. Was war mit seinen Augen? Wovon zum Teufel sprach sie da?
Die Krankenschwester trat einen Schritt zurück. Dann noch einen. Sie starrte ihn an, als entspränge er gerade einer Horrorshow. Er ließ sie nicht aus den Augen und streckte die Hand nach ihr aus. Panik flackerte in ihrem Blick auf, dann fuhr sie herum und rannte zur Tür. In dem Moment, als sie die Schwelle überquerte, schrie sie: »Einen Arzt! Ich brauche hier einen Arzt!«
»Gottverdammt.« Seine Lederjacke würde wohl warten müssen.
Aber er konnte es nicht. Gleich würde die Krankenschwester mit Verstärkung auftauchen. Und auch wenn es sein Job oft erforderte, schlug er nicht gerne Leute nieder. Es sei denn, dass sie ihm keine andere Wahl ließen.
Mac bewegte sich wie ein feindlicher Panzer, umrundete das Fußende des Bettes und hielt auf die Tür zu. Zwischen den Türpfosten stand wie angewachsen Conan, das Genie, und zog seinen Gürtel hoch. Das Abzeichen des Wachmanns glänzte im hellen Licht, strahlendes Silber auf der navyblauen Uniform. Fast hätte Mac die Augen verdreht. Stattdessen ballte er die Fäuste, fixierte den schmächtigen Sicherheitsangestellten und ging ohne langsamer zu werden auf ihn zu. »Willst du dich wirklich mit mir anlegen?«
Jep. Das wirkte. Mr. Harter Kerl trat zur Seite und gab ihm widerstandslos den Weg frei. Als Mac an ihm vorbeiging, nickte er dem Mann zu, denn er bedauerte, in welche beschissene Lage er den Kerl brachte. Wahrscheinlich würde es den Kleinen seinen Job kosten. Oder ihm zumindest einen Aktenverweis einhandeln.
»Tut mir leid, Mann. Meine Partnerin steckt in Schwierigkeiten.«
Conan nickte. »Gehen Sie links raus … über die Laderampe. Ich sagen ihnen, Sie hätten die andere Richtung genommen.«
»Bist ein echter Kumpel.«
»Mit Hintergedanken.« Der Kleine setzte sich in Bewegung und folgte ihm den breiten Flur entlang. Während sie Patienten auf Rollbahren und Klinikpersonal auswichen, erhob er die Stimme, damit Mac ihn über dem Lärm der Notaufnahme hören konnte. »Ich will eine Empfehlung für die Akademie dieses Frühjahr.«
Mac blieb an der Kreuzung stehen, an der hektische Betriebsamkeit herrschte und grinste. Okay, okay. Vielleicht war der Junge doch nicht so blöd, wie er aussah. »Bring mir deine Unterlagen ins Büro … ich denke darüber nach.«
»Hier lang.« Zufrieden deutete der Kleine auf eine Doppeltür am Ende des einen Flurs. »Da wandert die Wäsche raus. Führt direkt nach draußen. Viel Glück, Mann.«
Ohne sich umzudrehen, stieß Mac die Tür auf. Fünf Minuten später stand er draußen neben dem Gebäude. Kalte Herbstluft empfing ihn. Er biss die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten, und rieb sich über die nackten Arme. Aber die Kälte blieb, drang ihm tief in die Knochen und schüttelte ihn durch, bis …
Himmel. Wo war er? Kanada?
Zumindest fühlte es sich verdammt noch mal an, als sei er auf dem Spielplatz ihrer nördlichen Nachbarn gelandet. Es fehlte nur noch eins. Der knappe Meter Schnee. Nicht, dass er Zeit gehabt hätte, sich über den fehlenden Flockenteppich zu freuen. Er musste einmal quer durch die Stadt, bis an die Werft, an der sein Boot vertäut lag. Das Krankenhaus würde schon bald bei Captain Hobbs Alarm schlagen. Wenn die Angestellten ihn nicht innerhalb des Gebäudes aufspürten, würde man zum Telefon greifen und … Bumm! Sein Boss würde explodieren.
Also zuerst nach Hause, um seine Ersatzwaffe zu holen, dann untertauchen. Schließlich konnte der Chef ihm nicht die Hölle heiß machen, wenn er ihn nicht fand.
Eine Taxifahrt – und einen Weltrekord im Würgen – später, ging Mac über den verlassenen Parkplatz und lief auf den Eingang der Werft zu. Das Gebäude war von einem knapp vier Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben. Als er sich bis auf drei Meter genähert hatte, erfassten ihn die Bewegungsmelder. Mit einem Klicken flammten grelle Industriestrahler auf und fluteten das Sicherheitstor mit gleißendem Licht.
Mac zuckte zusammen, wandte das Gesicht ab und taumelte zur Seite. Langsam wurde das Ganze mehr als seltsam.
Normalerweise machte ihm die Lightshow nichts aus. Heute Nacht jedoch bohrte sich die Helligkeit bis in seinen Hinterkopf und brachte seinen Schädel fast zum Explodieren. Kies knirschte unter seinen Stiefeln, als er mit der Schulter an die Wand des Lagerhauses stieß, die am Weg entlanglief. Er stützte sich ab, legte eine Hand auf den kalten Stahl, die andere auf sein Knie, beugte sich vor und begann
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