Verborgene Sehnsucht
aufgesprungen. Mit welchem Plan – seinem? … Angelas? – konnte Rikar nicht sagen, aber was auch immer er vorhatte, wenn sich seine niederen Instinkte einmischten, verhieß das nichts Gutes. Zumindest nicht für ihn.
Angela hatte sich hingekniet und beugte sich jetzt zu ihm vor, Sorge schwang in ihrem Tonfall mit. »Ist alles in Ordnung?«
»Ah, ja … lass mir nur mal eine Sekunde Zeit, okay?«
Sie murmelte etwas, das er nicht ganz mitbekam. Zustimmung? Ungeduld? Er wusste es nicht, aber das Kribbeln erfasste ihn erneut und befeuerte seine Synapsen mit einer ganzen Wagenladung gib-ihr-was-sie-will. Er rieb sich mit den Händen über das kurze Haar, presste die Finger in den Nacken, kämpfte gegen den Wunsch an, den Arm auszustrecken und sie zu berühren. Himmel, was würde er dafür geben, sie umarmen zu können … sie festzuhalten, während er ihr zuflüsterte, dass alles gut werden würde. Dass sie sich nicht einmischen musste. Dass er den Wichser erwischen und ihn wie eine Trophäe nach Hause bringen würde.
Lebendig. Tot. Eine Mischung aus beidem. Ganz wie sie es wollte.
Aber zunächst mal musste er Rückgrat zeigen, eine Grenze ziehen und sie mit einem dicken, fetten NEIN unterstreichen. In Farbe. Die Sache vielleicht mit einer kleinen Diashow unterstützen. Mit einer Menge Lärm und großen schwarzen Lettern.
Feiges Weichei. Jep. Das war sein neuer Titel. Jetzt brauchte er nur noch ein Schild mit der Aufschrift Weltgrößter Idiot, das er sich an seine Zimmertür kleben konnte.
Mit einem Seufzen ließ Rikar die Hände sinken und hob den Kopf. Und wäre beinahe zurückgeschreckt. Verdammt, war sie nah. Nicht mal eine Armlänge entfernt und …
Himmel. Sie war so wunderschön. Nichts als flehende, haselnussbraune Augen und verwuscheltes, herbstfarbenes Haar.
Seine Brust zog sich zusammen, erfüllte ihn von innen heraus mit schmerzhafter Sehnsucht. Und nur ein einziger Gedanke blieb … wie zart ihre Haut war. Er wusste, wie makellos sie war – wie weich sie sich unter seinen Händen anfühlte –, und er wollte den Arm ausstrecken und sie an sich ziehen. Seine Hände auf Wanderschaft schicken, während seine Lippen die ihren berührten und er zum ersten Mal ihren Geschmack in sich aufnahm.
Dann noch einmal.
Und noch einmal.
Sein Blick glitt hinab zu ihrem Mund. Sie rutschte ein Stück zurück, als wüsste sie, was er dachte. Wieder stieß der Infusionsschlauch gegen den Metallständer. Das Geräusch brachte ihn zurück in die Gegenwart. Himmel, er war ja vollkommen außer sich. Sie war gerade erst wieder gesund geworden, kaum außer Gefahr, die Infusionsnadel steckte noch in ihrem Handrücken, und er bekam einen Steifen, wenn er sie ansah. Abscheu ließ ihn die Hände zu Fäusten ballen. Er holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und seine Lungen füllten sich mit ihr.
Ihr Duft verschaffte ihm Klarheit. Sie war nicht bereit für ihn. Noch nicht. Vielleicht noch eine ganze Weile nicht. Sie roch nach Verletzlichkeit, nach Tränen, Immergrün und frischem Schnee. Die Mischung zerriss ihm das Herz. Die letzten beiden Komponenten gehörten ganz zu Angela, zu ihrem natürlichen Duft, den er wiedererkannte, von dem er träumte, den er mehr liebte, als alles, was ihm je begegnet war. Die ersten beiden? Trauer und ein Schmerz, der an Hoffnungslosigkeit grenzte. Die Mixtur wies ihn an, sich zurückzuhalten, verriet ihm, dass sie einen Ritter brauchte, keinen Liebhaber.
Zumindest nicht heute.
Also musste es auf ein Nein hinauslaufen. Und er musste eine Grenze ziehen.
Seine Welt war nicht einfach. Und Mordkommission hin oder her, die Platzregeln dieses Spiels verstand sie nicht. Ganz gleich, was sie tat – wie talentiert sie war oder wie dicht die graue Masse zwischen ihren hübschen Ohren –, es war zu gefährlich. Die Razorback waren keine menschlichen Verbrecher. Sie waren Drachen. Eine Glock und eine Wagenladung weibliche Entschlossenheit reichten hier nicht weit. Und zudem bestand noch das Problem ihrer Verbindung. Seine Instinkte liefen heiß, so verzweifelt musste er sie beschützen. Auf keinen Fall könnte er sie auch nur in die Nähe lassen, wenn er den Bastard jagte und zur Strecke brachte.
Aber als das Kribbeln ihn erneut erfasste, verwandelte es sich in Worte – Rikar, bitte hilf mir, ihn zu kriegen. Als er zusammenzuckte, wanderte sein Blick zurück zu ihrem Gesicht und … es war verdammt noch mal nicht gerecht. Tränenglänzende, haselnussbraune Augen flehten ihn an, ihr zu geben, was
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