Verborgene Tränen (Windham-Reihe) (German Edition)
wie erstarrt, als sie sich Adrian Clark gegenübersah. Nie hätte sie zu träumen gewagt, ihn je wiederzusehen – und wenn, dann sicher nicht auf dem Ball im Haus ihres Schwagers. Ihres Schwagers … Himmel! Beinahe hätte sie vergessen, dass sie inzwischen verheiratet war und ihr Gatte sicher nicht erfreut wäre, sie mit Adrian zusammen zu sehen.
„Adrian?“, fragte sie mit einem ungläubigen Blick auf seine vornehme Kleidung und seine silbernen Manschettenknöpfe.
„Ja, mein Herz, ich bin es. Meine Liebe zu Euch ließ mich alle Vorsicht vergessen und gegen jede Vernunft hierherkommen, und nun, da ich Euch so nahe bin, bereue ich, diesen Mut nicht schon viel früher aufgebracht zu haben. Amelie, mein Herz, die Sehnsucht nach Euch hat mich jeden Tag ein wenig mehr getötet, und ich fürchtete, meinem tristen Dasein ein Ende setzen zu müssen, wenn ich Euch nicht endlich wiedersehen würde.“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Der traurige Blick aus seinen blauen Augen zeugte von seinem Kummer, und Schuldgefühle, schwer wie Blei, drohten Amelie zu erdrücken. Adrian hatte anscheinend nie aufgehört, sie zu lieben, während sie in den letzten Wochen fast vergessen hatte, dass er jemals einen Platz in ihrem Leben eingenommen hatte.
Schnell, ehe jemand bemerken konnte, wie sehr ihr Gegenüber sie verwirrte, zog sie Adrian mit sich in den Garten hinaus.
Ein kaltes Grinsen breitet sich in Lucindas Gesicht aus, als sie beobachtete, wie ihre Widersacherin mit einem äußerst attraktiven Mann in den Garten huschte. Dass Lady Amelie dabei irgendetwas im Schilde führte, war deutlich an ihrem nervösen Blick zu erkennen. Neugierig schlich Lucinda ihnen nach und staunte nicht schlecht, als sie sah, wie der Gentleman beinahe Amelies Hand zu verschlucken drohte, so hungrig wirkten seine Küsse.
Das hatte sie dem Mädchen gar nicht zugetraut, und mit eisiger Berechnung fragte sie sich, was wohl Dean dazu sagen würde, seine Frau in dieser Situation anzutreffen. Amelie schien besorgt. Immer wieder warf sie einen Blick zur Terrassentür, und der verliebte Blick ihres Gegenübers trieb ihr selbst im Dämmerlicht noch die Röte in die Wangen.
Lucinda wusste sogleich, was das bedeutete. Als das heimliche Paar sich immer weiter vom Haus entfernte und schließlich in einer bereitstehenden Kutsche verschwand, hatte Lucinda genug gesehen. Mit wiegenden Hüften und einem verführerischen Schmollmund wandte sie sich ab und suchte nach dem Mann, dem sie nun wohl Trost spenden musste.
Kapitel 15
D ie Kutschentür schlug hinter Amelie zu.
„Adrian! Was …?“
„Keine Sorge, mein Herz, ich weiß, was ich tue.“
Das ging alles so schnell. Amelie hatte kaum Zeit, ihre Gedanken zu ordnen oder zu überlegen, was eigentlich gerade geschah. Wild wie die Hufschläge der Pferde, die in hohem Tempo die Kutsche durch die Londoner Nacht entführten, schlug auch ihr Herz.
Adrians Worte im Garten hatten sie furchtbar verwirrt.
„Adrian, ich kann es noch immer nicht fassen! Wie seid Ihr hierhergekommen? Was tut Ihr hier?“
„Ich musste Euch sehen! Keinen Tag länger hätte ich ohne Euch ausgehalten. Euer Anblick lässt mich die Entbehrungen der letzten Monate vergessen, und ich würde alles dafür tun, die Zeit zurückdrehen zu können. Hätte ich gewusst, dass Euer Vater unser Glück zerstört, hätten wir davonlaufen und uns in Gretna Green trauen lassen sollen.“
Nun saß er ihr in der Kutsche gegenüber und lächelte sie mit dem gleichen Lächeln an, welches vor Jahren ihr Herz erobert hatte.
„Meine Geliebte, ich kann Euch nicht sagen, wie gerne ich Euch um einen Tanz gebeten hätte – wisst Ihr noch, wie wir tanzten? Wie wir lachten, und unsere Liebe erwachte?“
Amelie erinnerte sich. Die Melodie der Spieluhr hatte sie verzaubert und der schöne Adrian im Nu ihre Zuneigung gewonnen. Auch jetzt kam sie nicht umhin, sein gutes Aussehen zu bewundern.
„Ich werde diesen Abend nie vergessen, Adrian“, versprach sie ihm und griff nach seiner Hand.
„Das ist unmöglich!“, rief Dean und suchte die tanzende Menge nach Amelie ab. Was Lucinda da sagte, ergab keinen Sinn. „Eben tanzte sie noch mit meinem Vater.“
Lucinda hakte sich vertraut bei ihm unter und tätschelte beruhigend seine Hand.
„Nein, mein Lieber. Eben stieg sie mit einem Fremden – und, wenn ich so sagen darf –, einem teuflisch gut aussehenden Fremden, in eine Kutsche und fuhr davon. Zuvor hörte
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