Verborgene Tränen (Windham-Reihe) (German Edition)
Amelie Mühe hatte, anderen Dingen ihre Aufmerksamkeit zu widmen, versteifte sich neben ihr. Mit einem unwilligen Murren starrte er zum Eingang, und Amelie folgte seinem Blick. Ganz in Rot gekleidet, zog Deans Mätresse sämtliche Blicke auf sich. Ihr zorniger Blick feuerte Blitze in Amelies Richtung, als sie geradewegs auf sie zukam.
„Das hat gerade noch gefehlt!“, rief Danielle und sah sich Hilfe suchend nach Devlin um.
Dean zuckte die Schultern und entschuldigte sich. Er ließ Amelie zurück und trat Lady Rochester entgegen. Freundlich, aber bestimmt führte er sie in den Garten.
„Lucinda, was tust du hier?“, verlangte er zu erfahren und steckte sich eine Zigarre an.
„Was ich hier tue? Erkläre mir doch lieber, was du hier tust! Wo bist du gestern Abend gewesen? Ich habe gewartet!“, warf sie ihm vor.
Dean wollte sie nicht noch wütender machen. Er drehte die Zigarre zwischen seinen Fingern, deren blauer Dunst in den Nachthimmel emporstieg.
„Es tut mir leid, ich war verhindert. Trotzdem kannst du nicht einfach hier hereinschneien. Du weißt, was Devlin dazu sagen würde“, versuchte er, sie zu beruhigen.
„Verhindert? Ha, dass ich nicht lache! Du warst mit der grauen Maus im Orchester! Was denkst du, wie viele mir das heute schon unter die Nase gerieben haben, Dean? Und was Devlin sagt, hat mich noch nie interessiert, denn sonst hätte ich dich nicht einmal in die Nähe meines Bettes lassen dürfen, oder?“
Dean ersparte sich eine Antwort. Lucinda hatte recht. Devlin war immer gegen ihre Affäre gewesen.
„Und dennoch schickst du mich fort? Wegen der kleinen Göre? Das kann nicht dein Ernst sein!“, rief sie und sah dabei aus, als habe sie nicht übel Lust, ihn zu schlagen.
Dean verlor allmählich die Geduld. Die Gäste drehten sich schon nach ihnen um, witterten einen schönen Skandal. Und plötzlich fragte er sich, was ihn in all der Zeit an Lucinda so fasziniert hatte. Sie schien regelrecht verzweifelt, dabei hatte sie doch noch etliche andere Männer am Haken, denen sie ihre Gunst schenkte. Langsam blies er den Rauch aus und schüttelte bedauernd den Kopf.
„Hör zu, Lucinda. Du bist fantastisch, das weißt du. Aber wir können nicht so weitermachen wie bisher. Ich bin nun verheiratet. Du solltest gehen“, schlug er vor.
Lucinda ballte die Hände zu Fäusten. Ihr Blick war eisig, und sie schien ihn damit erdolchen zu wollen, als sie sich erbost umdrehte und mit eiligen Schritten in der Menge verschwand.
Erleichtert atmete Dean aus. Er hatte mit größerem Widerstand gerechnet. Seltsamerweise fühlte es sich gut an, sich für Amelie entschieden zu haben, aber das Lächeln erstarrte ihm im Gesicht, als er sich zu ihr umdrehte. Sie hatte Gesellschaft bekommen.
Fluchend warf er die Zigarre beiseite und ging auf den Herrn zu, der gerade Amelies Handrücken küsste.
Amelies glockenhelles Lachen ließ auch ihr Gegenüber erstrahlen, und Dean biss die Zähne zusammen, als er zwischen die beiden trat und den Mann böse anfunkelte.
„Ihr seid zurück? Entschuldigt mein Versäumnis, Euch mit meiner Frau bekannt zu machen.“
„Nun, wie du siehst, haben wir dein Versäumnis aufgeholt, denn eine so reizende Lady entgeht natürlich keine Sekunde meiner Aufmerksamkeit. Ich denke, sie ist viel zu schade für dich, mein Junge.“
Amelie lächelte, und Dean griff entschieden nach ihrer Hand.
„Wie gut, dass Eure Meinung nichts zur Sache tat, Vater. Dennoch schön, Euch wiederzusehen. Ihr seht keinen Tag älter aus als an dem Tag, an dem Ihr aufgebrochen seid.“
Freudig nahmen sich die beiden Männer in die Arme und klopften sich auf den Rücken.
„Ich wünschte, das Gleiche könnte ich von deiner Schwester auch behaupten“, stöhnte Dorian, das Oberhaupt der Familie Weston. „Du wirst sie kaum wiedererkennen.“
Dean trat einen Schritt zurück und versuchte, sich die Freude über das Wiedersehen nicht zu sehr anmerken zu lassen. Tatsächlich hatte er seinen alten Herrn in den letzten vier Jahren, die dieser mit seiner dritten Ehefrau und Deans kleiner Schwester Rose irgendwo in Europa verbracht hatte, sehr vermisst.
„Unsere kleine Rose – ist sie noch immer so ein Wildfang?“, fragte Dean und schmunzelte, als er an die Scherze der Vierzehnjährigen dachte.
Dorian schüttelte niedergeschlagen den Kopf.
„Sieh selbst! Was soll man zu so einem Kind sagen? Sie weiß genau, wie sie bekommt, was sie will.“ Er deutete auf die Tanzfläche, und Dean wandte sich
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