Verbotene Früchte im Frühling
leisen Stöhnen von ihren Lippen und stieß sie von sich weg.
Sofort floh sie aus der Bibliothek. Der Saum ihres gelben Kleids flog hinter ihr her und schlang sich um den Türpfosten, ehe er aus seinem Blickfeld verschwand wie der letzte Strahl der untergehenden Sonne.
Und Matthew fragte sich, wie er jemals wieder normal und unbefangen mit ihr umgehen sollte.
Es war eine lange Tradition, dass die Herrin eines Landsitzes als Wohltäterin für die Pächter und Dorfbewohner auftrat. Das bedeutete, Ratschläge zu geben, Hilfe zu gewähren und notwendige Dinge wie Essen oder Kleidung an jene zu verteilen, die es am nötigsten hatten. Bisher hatte Lillian diese Pflichten bereitwillig wahrgenommen, doch ihr Zustand machte es ihr jetzt unmöglich.
Mercedes zu bitten, sie zu vertreten, kam nicht infrage – für so etwas war Mercedes zu ungeduldig. Sie hielt sich nicht gern in der Nähe von Kranken auf. Ältere Menschen fühlten sich in ihrer Nähe unbehaglich, und Babys begannen umgehend zu weinen.
Daher kam nur Daisy infrage. Und Daisy machte das nichts aus. Sie nahm gern die Ponykutsche und fuhr damit Päckchen und Krüge aus, las jenen vor, die schlechte Augen hatten, und sammelte die Neuigkeiten, die im Umlauf waren. Und am besten gefiel es ihr, dass die informelle Natur dieser Besuche bedeutete, dass sie sich nicht modisch kleiden oder auf die Etikette achten musste.
Es gab noch einen anderen Grund, warum Daisy froh war, ins Dorf gehen zu können – so war sie beschäftigt und fernab vom Haus, sodass sie ihre Gedanken auf etwas anderes als Matthew Swift konzentrieren konnte.
Drei Tage war das grässliche Salonspiel jetzt her, und ebenso lange seine Folgen – dass Matthew Swift sie geküsst hatte, dass sie beinahe den Verstand verlor. Jetzt benahm er sich ihr gegenüber so wie immer – kühl und höflich.
Daisy konnte beinahe glauben, das alles nur geträumt zu haben – nur dass, wann immer sie in Swifts Nähe war, ihre Nerven Funken zu sprühen drohten und in ihrem Bauch Schmetterlinge zu flattern schienen.
Gern hätte sie mit jemandem darüber gesprochen, aber das wäre zu peinlich gewesen, und beinahe wäre ihr das wie Verrat vorgekommen, auch wenn sie sich nicht sicher war, wen sie damit verriet. Sie wusste nur, dass sich nichts mehr richtig anfühlte. Sie schlief nicht gut, und als Folge davon war sie tagsüber ungeschickt und zerstreut.
Da sie glaubte, vielleicht krank zu sein, war Daisy zur Haushälterin gegangen, hatte ihr ihre Symptome beschrieben und einen scheußlichen Löffel voll Rizinusöl bekommen. Das hatte ihr nicht im Mindesten geholfen. Und was am schlimmsten war – sie konnte sich nicht auf ihre Bücher konzentrieren. Immer und immer wieder hatte sie dieselben Seiten gelesen und sich überhaupt nicht für die Geschichte interessiert.
Daisy wusste nicht, wie sie mit sich selbst wieder ins Reine kommen sollte. Aber sie hielt es für eine gute Sache, nicht mehr an sich selbst zu denken, sondern etwas für jemand anders zu tun.
Am Vormittag brach sie in der offenen kleinen Kutsche auf, die von einem stämmigen Pony gezogen wurde, das auf den Namen Hubert hörte. Die Kutsche war beladen mit Krügen voller Essen, Flanellstoffen, Käserädern, Portionen von Hammel mit Rüben, Schinken, Tee und Flaschen voll Portwein.
Die meisten dieser Besuche verliefen sehr angenehm. Die Dorfbewohner freuten sich über Daisys heitere Art.
Einige von ihnen brachten sie zum Lachen, als sie erzählten, wie es früher gewesen war, wenn Lord Westcliffs Mutter sie besucht hatte.
Die Dowager Countess hatte ihre Gaben widerstrebend verteilt und große Dankbarkeitsbezeugungen erwartet.
Wenn die Frauen nicht tief genug knicksten, hatte die Dowager Countess mit säuerlicher Miene gefragt, ob sie steife Knie hätten. Sie hatte auch erwartet, befragt zu werden, welche Namen für die Kinder ausgesucht werden sollten, und sie in Hygiene und Religion unterwiesen. Am schlimmsten aber war, dass die Countess Essen gebracht hatte, das in unappetitlicher Weise zusammengekippt gewesen war – Fleisch, Gemüse und Süßspeisen zusammen in derselben Blechbüchse.
„Himmel!“, rief Daisy und stellte Krüge und Stoffballen auf den Tisch. „Was war sie doch für eine böse, alte Hexe! Wie im Märchen …“ Und dann gab sie eine dramatische Erzählung von Hänsel und Gretel zum Besten, bei der die Kinder kichernd und kreischend unter dem Tisch verschwanden und entzückt zu ihr aufblickten.
Am Ende des Tages hatte
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