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Verbotene Früchte im Frühling

Titel: Verbotene Früchte im Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Daisy ein kleines Buch mit Notizen gefüllt – ob es wohl möglich war, einen Spezialisten zu finden, der sich um das nachlassende Augenlicht des alten Mr. Hearnsley kümmerte, und ob man den Blunts eine Flasche von dem Tonikum der Haushälterin geben könnte, gegen die Verdauungsbeschwerden von Mrs. Blunt.
    Nachdem sie versprochen hatte, alle Fragen an Lord und Lady Westcliff weiterzugeben, kletterte Daisy wieder in die jetzt leere Ponykutsche und fuhr zurück nach Stony Cross Park.
    Es dämmerte bereits, und die Eichen und Nussbäume warfen lange Schatten auf die ungepflasterte Straße, die aus dem Dorf hinausführte. Die Bäume in diesem Teil Englands waren noch nicht abgeholzt worden, um die Werften und Fabriken zu beliefern, die in den großen Städten entstanden. Noch immer gab es große geschlossene Waldflächen, die wie aus einer anderen Welt wirkten, durchzogen von schmalen Pfaden, halb versteckt unter herabhängenden Zweigen. In der zunehmenden Dunkelheit waren die Bäume hinter Schleiern verborgen und schienen Geheimnisse zu bergen, wirkten wie Schildwachen für eine Welt von Druiden, Hexenmeistern und Einhörnern. Eine Eule glitt in tiefem Flug über den Weg, wie eine Motte im Zwielicht.
    Es war still, nur das Klappern des Wagens war zu hören sowie das Klippklapp von Huberts beschlagenen Hufen.
    Daisy hielt die Zügel fester, als das Pony schneller wurde. Hubert schien allmählich unruhig zu werden und warf den Kopf hin und her.
    „Ruhig, mein Junge“, sagte Daisy und zwang das Pony zu einer langsameren Gangart, als die Wagenachse über ein Schlagloch ratterte. „Der Wald gefällt dir nicht, was? Keine Angst – bald werden wir wieder offenes Gelände erreichen.“
    Doch das Pony beruhigte sich nicht eher, bis der Baumbestand abnahm und das Blätterdach verschwand. Endlich erreichten sie einen Weg, der auf der einen Seite an einen Wald grenzte, auf der anderen an eine Wiese. „Siehst du, du unruhiger Geist“, sagte Daisy heiter, „kein Grund zur Aufregung.“
    Doch es zeigte sich, dass ihre Freude verfrüht war.
    Sie hörte ein Knacken aus dem Wald, Zweige und Äste wurden zertreten. Hubert wieherte und wandte den Kopf in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Ein tierisches Grunzen ließ Daisy einen Schauer über den Rücken laufen.
    Was um Himmels willen war das?
    Plötzlich sprang aus dem Wald ein großer, dunkler Schatten direkt auf die Kutsche zu.
    Und dann ging alles so schnell, dass Daisy es gar nicht begriff. Als Hubert mit einem angsterfüllten Wiehern nach vorn sprang, packte sie noch die Zügel, doch die Kutsche machte einen Satz und schaukelte, als wäre sie ein Spielzeug.
    Vergeblich versuchte Daisy, sich auf dem Sitz zu halten, und als der Wagen über eine Baumwurzel hüpfte, wurde sie hinausgeworfen. Hubert raste weiter den Weg hinunter, während Daisy unsanft auf dem harten Boden landete.
    Der Aufprall raubte ihr den Atem, und sie rang nach Luft. Vage nahm sie wahr, wie ein großes Tier, ein Ungeheuer, auf sie zustürmte, aber ein Gewehrschuss hallte durch den Abend und dröhnte in ihren Ohren.
    Ein Tier stieß einen durchdringenden Schrei aus – dann herrschte Stille.
    Daisy versuchte, sich aufzusetzen, und sank dann, als es ihr nicht gelang, tief Luft zu holen, bäuchlings auf den Boden zurück. Sie fühlte sich, als würde ihre Brust mit eisernen Händen umklammert. Sie fürchtete schon, sich erbrechen zu müssen, doch die Vorstellung, wie viel Schmerzen und Unbehagen ihr das bereiten würde, genügte, um das Gefühl vorübergehen zu lassen.
    Gleich darauf erbebte der Boden an Daisys Wange unter donnernden Hufen. Endlich war sie wieder fähig, ein wenig zu atmen, stützte sich auf die Ellenbogen und hob den Kopf.
    Drei Reiter – nein, vier – galoppierten auf sie zu. Die Hufe der Pferde wirbelten Staub auf. Einer der Männer sprang vom Pferd, ehe es noch zum Stehen gekommen war, und eilte mit wenigen Schritten auf sie zu.
    Überrascht blinzelte Daisy, als er sich auf die Knie fallen ließ und sie im selben Moment in die Arme nahm. Ihr Kopf fiel zurück, und sie sah in Matthew Swifts Gesicht.
    „Daisy.“ Er sagte es in einem Tonfall, den sie noch nie zuvor von ihm gehört hatte. Während er sie mit einem Arm festhielt, ließ er den anderen rasch über ihren Körper gleiten. „Sind Sie verletzt?“
    Daisy versuchte zu erklären, dass sie kaum zu atmen vermochte, und er schien ihre Laute zu verstehen. „Schon gut“, sagte er. „Versuchen Sie nicht zu sprechen.

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