Verbotene Früchte im Frühling
treiben, begrüßen sollte.
Stattdessen ärgerte sein Enthusiasmus sie, und sie reagierte verstimmt.
Und wenn man verstimmt war, dann sollte der andere das auch spüren.
„Das weiß ich zu schätzen“, sagte sie. „Vielen Dank. Sie waren mir eine große Hilfe, Mr. Swift. Vor allem, um mir die so dringend benötigte Erfahrung zu verschaffen. Wenn ich das nächste Mal einen Mann küsse – Lord Llandrindon zum Beispiel –, dann werde ich viel besser wissen, was ich tun muss.“
Es erfüllte Daisy mit großer Zufriedenheit zu sehen, wie er die Lippen zusammenpresste.
„Keine Ursache“, erwiderte er düster.
Daisy bemerkte, dass er seine Hand halb erhoben hatte, als wollte er sie würgen oder schütteln, und schenkte ihm ihr heiterstes Lächeln, ehe sie aus seiner Reichweite verschwand.
Als der Tag weiter voranschritt, verbargen die Wolken den morgendlichen Sonnenschein und bildeten einen großen grauen Teppich. Gleichmäßiger Regen begann, vom Himmel zu fallen, und verwandelte die ungepflasterten Straßen in Schlamm, nässte Wiesen und Moore und ließ Mensch und Tier eilig nach Schutz suchen.
Das war Hampshire im Frühling, tückisch und launenhaft, wo man stets mit dem Unerwarteten rechnen musste.
Ging man an einem regnerischen Morgen mit einem Schirm aus dem Haus, würde in Hampshire wie durch Zauberei plötzlich die Sonne scheinen. Ging man ohne Schirm, konnte man zuverlässig davon ausgehen, dass der Regen einem wie aus Eimern auf den Kopf prasselte.
Die Gäste bildeten immer wieder neue Gruppen – manche im Musikzimmer, manche im Billardraum, manche im Salon, um zu spielen oder Tee zu trinken. Manche Damen widmeten sich ihrer Stickarbeit oder Spitzenstrickerei, während die Herren lasen, plauderten oder in der Bibliothek tranken. In allen Gesprächen wurde die Frage diskutiert, wann der Sturm wohl aufhören würde.
Gewöhnlich liebte Daisy Regentage. Sich am Kamin mit einem Buch zusammenzurollen war das größte Vergnügen, das sie sich vorstellen konnte. Aber sie befand sich noch immer in einer Verfassung, in der das gedruckte Wort seinen Zauber verloren hatte. Sie ging von Raum zu Raum und sah diskret den Aktivitäten der Gäste zu.
Auf der Schwelle zum Billardzimmer hielt sie inne und spähte um den Türrahmen in den Raum, wo Gentlemen sich müßig um einen Tisch geschart hatten, mit Drinks und einem Queue in der Hand. Das Klacken der Elfenbeinkugeln unterlegte das Stimmengemurmel mit einem unregelmäßigen Rhythmus. Matthew Swift in Hemdsärmeln erregte ihre Aufmerksamkeit. Er beugte sich über den Tisch, um einen perfekten Stoß zu vollführen.
Geschickt hielt er den Queue, und er kniff die blauen Augen zusammen, als er sich auf die Lage der Bälle auf dem Tisch konzentrierte. Die widerspenstige Locke war ihm wieder in die Stirn gefallen, und Daisy hätte sie zu gern zurückgestrichen. Als Swift geschickt eine Kugel versenkte, gab es Applaus und Gelächter, und ein paar Münzen wechselten den Besitzer.
Swift richtete sich auf, zeigte eines seiner flüchtigen Lächeln und sagte etwas zu seinem Gegner, bei dem es sich, wie sich herausstellte, um Lord Westcliff handelte.
Westcliff lachte über die Bemerkung und ging um den Tisch, eine kalte Zigarre zwischen den Zähnen, und wog seine Möglichkeiten ab. Im ganzen Raum herrschte eine Atmosphäre von entspannter männlicher Unterhaltung.
Während Westcliff um den Tisch ging, bemerkte er Daisy an der Tür. Er zwinkerte ihr zu. Sie zuckte zurück, wie eine Schildkröte, die sich in ihrem Panzer verkroch. Es war lächerlich, in der Hoffnung im Haus herumzuschleichen, einen Blick auf Matthew Swift erhaschen zu können.
Während sie im Stillen sich selbst schalt, ging Daisy weg vom Billardzimmer und durch den Korridor zur Eingangshalle mit der großen Haupttreppe. Sie sprang die Stufen hinauf und blieb erst vor dem Salon stehen.
Dort waren Annabelle und Evie zusammen mit Lillian, die sich auf der Chaiselongue halb zusammengerollt hatte.
Sie wirkte bleich und angespannt, die Stirn hatte sie gerunzelt. Die schlanken Arme ruhten auf ihrem Bauch.
„Das waren zwanzig Minuten“, sagte Evie, den Blick auf die Kaminuhr gerichtet.
„Sie kommen noch immer nicht regelmäßig“, bemerkte Annabelle. Sie strich Lillian das Haar zurück und flocht es sorgfältig, wobei sie ihren schlanken Finger geschickt um die schweren schwarzen Locken bewegte.
„Was kommt nicht regelmäßig?“, fragte Daisy mit erzwungener Heiterkeit und betrat den Raum.
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