Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
Vaters. Ihre Mutter hatte Recht gehabt, dass ihre Rücksichtslosigkeit eines Tages ihr Untergang sein würde und sie sich und anderen wehtat. Das war nun geschehen. Und getroffen hatte es ausgerechnet Liz und ihren Vater.
Santos. Tränen traten ihr in die Augen. Sie hatte geglaubt, in den letzten beiden Tagen so viel geweint zu haben, dass keine mehr übrig waren. Doch an Schmerz und Tränen schien ihr Vorrat unerschöpflich zu sein.
Glory presste die Augen zusammen, innerlich zerrissen von Schuldgefühlen und Sehnsucht. Wenn sie doch nur auf ihre Mutter gehört hätte. Wenn sie doch nur nicht so rücksichtslos, störrisch und selbstsüchtig gewesen wäre. Sie hätte Santos nicht hinterherlaufen und ihn nicht wieder sehen dürfen.
Ich darf ihn nicht lieben. Es war falsch, ihn zu lieben.
Aus der Vorhalle hörte sie Unruhe, laute Stimmen, einen Fluch, dann fiel etwas zu Boden und zersprang.
Sie drehte sich um, und ihr Herz schlug plötzlich im Hals. In der Tür, bemüht, die Hände zweier ihr unbekannter Männer abzuschütteln, stand Santos.
„Glory!“ rief er.
Das Blut stieg ihr zu Kopf, und sie begann zu zittern. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, doch es kam kein Laut.
Entsetzt sah sie Santos einen der Männer schlagen und sich befreien. Eine Frau schrie auf. Der Leiter des Beerdigungsinstitutes drohte, die Polizei zu rufen. Santos ignorierte alle und drängte sich durch die Menge auf sie zu.
Pitschnass, unrasiert und mit wildem Blick sah er aus wie ein Irrer. Ein Wilder unter all den Zivilisierten in Seidenkleidern und dunklen Anzügen.
Alle starrten auf sie, flüsterten, spekulierten. Glory sank in sich zusammen. Alle wussten Bescheid. Alle gaben ihr die Schuld.
Sie hätte am liebsten losgeschrien. Sie konnte es nicht mehr ertragen. Wild um sich blickend, suchte sie vergeblich nach einem Versteck. Ihr Herz schlug so heftig, dass es schmerzte.
Ihre Mutter trat zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schultern. Glory lehnte sich an sie, dankbar für die Unterstützung.
Santos blieb vor ihr stehen. Ihre Augen waren voller Tränen, und sie legte, innerlich zerrissen, eine Hand vor den Mund. Einerseits wollte sie in seine Arme sinken, damit er sie liebevoll tröstete. Andererseits schreckte sie vor Santos zurück. Wenn sie ihn ansah, dachte sie an ihren Vater und die Umstände seines Todes.
Ihretwegen war er gestorben. Wegen ihrer ungehörigen Liebe zu Santos.
„Dachtest du, ich würde nicht kommen?“ fragte er leise. „Wusstest du nicht, dass ich es notfalls mit Himmel und Hölle aufnehme, um dir beizustehen?“ Er streichelte ihr die Wange, und ihre Tränen kullerten. „Es tut mir so Leid, Baby. Ich weiß, wie sehr du ihn geliebt hast.“
„Sie sind hier nicht erwünscht“, sagte Hope schrill und zog Glory fester an sich, um sie seiner Berührung zu entziehen. „Verstehen Sie? Glory will Sie hier nicht sehen!“
Santos wandte den Blick nicht von Glorys Gesicht. „Baby“, lockte er, „sag ihr, was du fühlst. Sag ihr, was wir füreinander empfinden.“
„Sie Bastard!“ keifte Hope. „Alles ist Ihre Schuld. Es ist Ihre Schuld, dass Glory sich so aufgeführt hat. Es ist Ihre Schuld, dass ihr Vater tot ist!“
Glory begann zu schluchzen, und Santos kam einen Schritt näher. „Nein, Glory. Du weißt, was deine Mutter versucht. Wir haben ihn nicht auf dem Gewissen. Es war ein Unfall.“
Er streckte ihr die Hand hin, doch sie starrte nur entgeistert darauf.
„Nimm meine Hand!“ bat er. „Hier und jetzt, damit alle sehen, was wir einander bedeuten. Danach gehe ich.“
Santos streckte die Hand ein wenig weiter aus. Glory sah jedoch nur das Gesicht ihres Vaters, als sie ihm gesagt hatte, sie hasse ihn. Wenig später war es im Tode erstarrt, und sie hatte sein Blut an den Händen.
„Wenn du mich liebst, nimm meine Hand!“ bat Santos leise. „Glaube an mich, Glory, bekenne dich zu mir. Alles, was du tun musst, ist, meine Hand nehmen.“
Glory wimmerte leise. Ihr Kummer zerriss sie schier. Und plötzlich hörte sie die liebevolle Stimme ihres Vaters, wie er ihr vor langer Zeit gesagt hatte:
Familie und Erbe bedeuten alles, Glory. Sie sagen dir, wer du bist und was du sein wirst. Versprich mir, Püppchen, dass du das nie vergisst.
Sie hatte es vergessen. Doch von nun an würde sie seine Worte beherzigen. Ihr Platz war bei ihrer Mutter, bei ihrer Familie. Sie schuldete ihr und dem Namen St. Germaine Loyalität.
Glory schüttelte stumm den Kopf und bebte am ganzen Körper. Sie
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