Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
strauchelte, rappelte sich wieder hoch und schoss an dem schockierten Türsteher vorbei hinaus. Es war Abend geworden, das Gewitter tobte, und es goss in Strömen. Sie lief zum Rand des Gehwegs. Haare und Kleidung waren augenblicklich durchweicht und klebten an ihr. Sie blickte über die Schulter und sah ihren Vater. Er hatte sie gleich eingeholt.
„Glory!“ rief er. „Warte, ich höre dir zu. Wir werden eine Lösung finden, das verspreche ich.“
Sie zögerte, schüttelte den Kopf, und Tränen strömten über ihre Wangen. Nicht, solange ihre Mutter etwas zu sagen hatte. Hope würde dafür sorgen, dass sie weggesperrt wurde und Santos nie wieder sah.
Ihr Vater rief wieder nach ihr. Glory rannte auf die Straße und überquerte sie eilig.
Als sie die Verkehrsinsel erreichte, hörte sie lautes Hupen, dann das Kreischen von Bremsen. Sie wirbelte herum und sah, wie ihr Vater von einem Fahrzeug durch die Luft geschleudert wurde.
Die nächsten Minuten vergingen wie im Nebel. Glory hörte sich schreien und den Portier rufen, dann das hysterische Brabbeln des Fahrers, der ihren Vater angefahren hatte. Sie rannte zu ihrem Vater und fiel neben ihm auf die Knie.
Sein Kopf lag in einem sonderbaren Winkel zum völlig reglosen Körper. Die Augen waren offen. „Daddy“, flüsterte sie und strich ihm das Haar aus der Stirn. „Daddy, bist du … okay?“
Sein Kopf war warm und klebrig. Sie riss die Hand zurück und sah das Blut. Es war überall und mischte sich mit dem Regen zu roten Rinnsalen. Sie starrte mit wachsendem Entsetzen darauf. Ein Schrei stieg in ihr auf, der in einem erstickten Schluchzer der Fassungslosigkeit und Trauer über ihre Lippen kam.
Sie beugte sich zu ihrem Vater hinunter, umschlang ihn mit beiden Armen und presste die Wange an seine Brust. Ihre verletzenden Worte hallten ihr noch in den Ohren. „Ich habe es nicht so gemeint. Ich … habe dich immer geliebt, Daddy.“
Als sich Sirenengeheul näherte, schlang sie die Arme fester um ihn. „Werde wieder gesund … bitte, Daddy. Ich habe dich so lieb … Verlass mich nicht … bitte, du darfst nicht sterben!“
Ihre Mutter kam dazu. Glory hob den tränenfeuchten Blick. Hope sah gelassen und ruhig auf sie hinab. „Bist du jetzt zufrieden, Glory Alexandra? Siehst du, was du mit deiner Rücksichtslosigkeit angestellt hast? Das hier ist deine Schuld.“
Glory hatte Mühe zu atmen. Sie fürchtete, an ihrer Verzweiflung zu ersticken. „Nein, Mama!“ begehrte sie auf. „Nein …“
„Doch.“ Ihre Mutter deutete mit dem Finger auf sie. „Er ist hinter dir hergelaufen. Es ist deine Schuld, dass er auf die Straße gerannt ist und den Wagen übersehen hat.“
Schluchzend verbarg Glory das Gesicht an der Brust ihres Vaters und klammerte sich an ihn. „Nein … Mama, bitte … es ist nicht …“
„Doch. Sieh dir an, was du getan hast!“
Ihre Mutter kniete neben ihr, löste ihr die Arme und zog Glory ein Stück zurück. Dann drehte sie sie an den Schultern so, dass sie in sein lebloses Gesicht und die Ströme von Blut sehen musste. Glorys Magen rebellierte. Sie schlang die Arme um sich und klappte zusammen.
„Ja“, sagte Hope leise. „Du hast deinen Vater umgebracht.“
37. KAPITEL
Trotz des andauernden Regens und überfluteter Straßen waren eine Menge Menschen zur Trauerfeier gekommen. Freunde, Familienangehörige, Hotelangestellte und langjährige Gäste, alle waren erschienen, ihren Respekt zu zollen. Philip St. Germaine war geliebt und respektiert worden.
Glory begrüßte jeden Gast wie betäubt und konnte doch an nichts anderes denken als an ihren Schmerz, ihre Trauer und ihr Schuldgefühl.
Sie hatte ihn so sehr geliebt. Und er war der einzige Mensch gewesen, der sie bedingungslos wiedergeliebt hatte. Und er war gestorben in dem Bewusstsein, sie hasse ihn. Er war gestorben mit ihren hässlichen Worten in den Ohren.
Glory holte zittrig Atem. Sie wollte ihren Daddy zurückhaben. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, alles ungeschehen machen und die Zeit zurückdrehen zu können zu ihrem achten Geburtstag, an dem sich alles änderte.
Das war jedoch unmöglich. Ihr Vater war tot. Sie hatte ihn umgebracht. Es war ihre Schuld … ihre! Der Vorwurf klang ihr immer wieder in den Ohren, und ihr Schuldgefühl schien sie von innen aufzuzehren.
Sie hätte von dem Auto angefahren werden sollen. Sie wünschte, sie wäre tot. In gewisser Weise war sie das auch.
Sie atmete schluchzend ein, und ihr Blick wanderte zum geschlossenen Sarg ihres
Weitere Kostenlose Bücher