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Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Titel: Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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das Geländer gekrampft, starrte er lange ins Leere. Ich will nicht weg, verdammt, ich fühle mich hier sicher und geborgen.
    Santos atmete noch einmal tief durch und drehte sich zu Lily um. „Warum haben Sie keine Freunde, Lily?“ Da sie schwieg, kam er näher und sah sie durchdringend an. „Sie haben nie Besuch. Niemand ruft an. Außer zur Messe und um Besorgungen zu machen, gehen Sie niemals aus? Warum?“
    Sie faltete die Hände vor sich. Er merkte, dass sie zitterte, obwohl sie ihn ungerührt ansah. „Hast du damit ein Problem, Todd?“
    „Warum werden Sie wie eine Aussätzige behandelt, Lily Pierron? Warum tuscheln die Kinder hinter Ihrem Rücken, wenn Sie vorbeigehen? Warum zerren ihre Mütter sie auf die andere Straßenseite? Warum sitzen Sie bei der Messe immer allein?“
    Ihre Miene verriet Kummer, doch Lily wich weder zurück, noch wandte sie den Blick ab. Sie ging auch nicht trotzig zum Gegenangriff über. „Sag du es mir.“
    „Okay, das werde ich.“ Er machte eine allumfassende Geste mit dem rechten Arm. „Dieses Haus hier war ein Bordell. Und ich vermute, Sie waren die Puffmutter.“
    Sie zuckte kaum merklich zusammen. Er wollte sich davon nicht beeindrucken lassen und fuhr fort, obwohl er die Worte schon bedauerte, während er sprach. „Nach den Erinnerungsstücken zu urteilen, die ich gesehen habe, hatten Sie hier ein ziemlich heißes Geschäft am Laufen. Kein Wunder, dass Sie bei Ihren Nachbarn so beliebt sind. Und kein Wunder, dass Sie mich hier behalten wollen, denn alle anderen meiden Ihre Gesellschaft.“
    Sekundenlang sah sie ihn nur schweigend an, und ihr Blick verriet nicht nur, wie sehr er sie kränkte, sondern auch, wie sehr sie ein Leben lang gekränkt worden war. „Ist das alles, Todd?“
    Er wollte, dass sie sich wehrte, dass sie zum Gegenangriff überging, vielleicht hätte er dann nicht dieses schlimme Gefühl in der Magengrube gehabt. Vielleicht würde er sich dann nicht wie ein Stück Dreck vorkommen.
    Er machte einen Schritt auf sie zu. „Nein, ist es nicht.“ Er schob aufsässig das Kinn vor. „Wo ist Ihr Kind, Lily? Ich weiß, dass Sie eins haben, ich habe die Bilder gesehen. Hält sie Sie auch für eine Aussätzige?“
    Er sah ihren grenzenlosen Schmerz. „Du hast eine gute Menschenkenntnis“, sagte Lily mit tränenerstickter Stimme. „Ich war genau das, was du gesagt hast, eine Nutte. Ich bin völlig allein. Und ja, auch meine Tochter hat mich verlassen.“ Sie holte schluchzend Atem. „Ich gehe dann wohl besser hinein.“
    Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und ging erhobenen Hauptes ins Haus.
    Santos starrte ihr entsetzt nach. Er hatte ihr absichtlich wehgetan, weil er sie mochte und weil er fürchtete, sie zu brauchen. Weil er nicht Gefahr laufen wollte, selbst wieder verletzt zu werden, hatte er das Einzige getan, was ihm einfiel, um sie zurückzuweisen, damit sie nicht zu nahe an ihn herankam.
    Santos schluckte trocken. Und das nach allem, was sie für ihn getan hatte. Sie hatte nichts von ihm erwartet, außer dass er ehrliche Tagesarbeit verrichtete.
    Und ich habe ihr nicht mal genug vertraut, um ihr meinen richtigen Namen zu sagen.
    Er kam sich gemein und niederträchtig vor. Er war schon so schlimm geworden wie die, vor denen er floh.
    Santos folgte Lily hinein. Das große Foyer war leer. Er rief sie, sie antwortete nicht. Er ging sie suchen und fand sie im vorderen Salon. Sie stand mitten im Raum und starrte offenbar ins Leere. Lange sah er voller Mitgefühl nur auf ihren Rücken.
    „Miss Lily?“
    Sie drehte sich nicht um. „Bitte geh, Todd. Ich möchte jetzt lieber allein sein.“
    Er räusperte sich. „Miss Lily, bitte … es tut mir Leid.“
    Sie senkte den Kopf. „Was? Dass du die Wahrheit gesagt hast?“
    „Es ist nicht die Wahrheit. Ich wollte bloß …“
    „Es ist die Wahrheit. Du hast ganz Recht, mich zu verachten.“ Ihre Stimme wurde so leise, dass er sie nur mühsam verstand. „Sogar meine Tochter verachtet mich.“
    Er kam einen Schritt näher und blieb stehen. „Aber ich nicht, ich …“ Er konnte nicht weitersprechen. Es machte ihm panische Angst, seine Gefühle zu offenbaren. „Ich war einfach nur gemein“, fügte er leise hinzu. „Es tut mir Leid.“
    „Geh, Todd. Ist schon gut. Ich bin in Ordnung.“
    „Nichts ist in Ordnung.“ Er schob die Hände in die Jeanstaschen. „Sie haben das nicht verdient. Genauso wenig wie meine Lügen.“
    Sie drehte sich zu ihm um, und er sah, dass sie geweint hatte. Er senkte den

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