Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
abzuwenden, doch Santos hinderte sie daran. Er zwang sie, ihn anzusehen. „Für dich ist alles, was du besitzt, selbstverständlich. Mir gehört eines Tages das St. Charles, hast du mir bei unserer ersten Begegnung gesagt. Du hast keine Ahnung, was das bedeutet. Du bist so eingeschränkt in deiner Sichtweise, dass du gar keine Vorstellung hast, was für ein Leben du führst. Du und ich, Prinzessin, wir haben nichts gemeinsam.“
Ihr Kinn bebte, und Tränen glitzerten in ihren Augen. Doch sie kullerten ihr nicht über die Wangen, das ließ sie nicht zu. Er wünschte, sie würde weinen, wäre genau das Mädchen, das er ihr vorwarf zu sein. Dann wäre alles leichter.
„Du bist derjenige, der Vorurteile hat“, sagte sie leise. „Du beurteilst Menschen nach dem, was sie haben oder nicht haben. Nicht ich.“
„Wenn ich das tue, dann aus Erfahrung.“
„Vielleicht, aber ich bin nicht das Mädchen, das du beschreibst. Der Besitz meiner Eltern bedeutet mir nichts.“ Sie streckte eine Hand aus. „Und ich bin nicht, was sie sind.“
Santos ergriff die Hand ärgerlich. Er wollte nicht zulassen, dass Glory ihn rührte. Weil er genau wusste, dass seine Sichtweise richtig war, wünschte er irrwitzigerweise, sie wäre falsch.
Sobald Glory ihn verstand, würde sie ihn in Ruhe lassen und sich schleunigst verziehen. Bei Gott, er würde sich ihr verständlich machen.
Er zog Glory vom Wagen weg und öffnete hinter ihr die Beifahrertür. „Steig ein, ich will dir etwas zeigen.“
„Was?“ Sie rieb sich das Handgelenk.
„Das wirst du schon sehen. Steig ein.“
„Nicht bevor du mir sagst, wohin wir fahren.“
„Du bist doch nicht ganz so vertrauensselig, was Glory? Willst du einen Rückzieher machen? Vielleicht solltest du lieber heimlaufen zu Mama.“
Sie nagte unsicher an ihrer Unterlippe.
„Siehst du, Baby, ich bin ein Typ zum Fürchten. Da kannst du jeden fragen.“ Er warf die Wagentür heftig zu. „Lauf nach Hause, kleines Mädchen, ehe du etwas Dummes tust.“
Ohne abzuwarten, ging er auf die Fahrerseite und stieg ein. Er stieß den Schlüssel ins Zündschloss und ließ den Motor aufheulen. Als er den Gang einlegte, flog die Beifahrertür auf, und Glory warf sich auf den Nachbarsitz. Santos fluchte leise.
„Okay“, sagte sie trotzig. „Zeig’s mir.“
Schweigend fuhr er mit ihr durch den Mittagsverkehr in Richtung French Quarter und umfasste das Lenkrad so fest, dass die Fingerknöchel weiß wurden.
Kurz vor dem Quarter begann er zu reden. „Ich verbrachte die ersten sieben Jahre meines Lebens in einem Wohnwagen, der nach Schweiß und Fusel stank. Mein Dad war ein Stück Scheiße, ein Trinker, der meine Mama und mich schlug. Ich freute mich auf seine Sauftouren, weil er dann meistens bewusstlos wurde oder kotzte, ehe er mehr tun konnte, als mir eine blutige Nase oder ein blaues Auge zu schlagen. Er war ein brutaler Kerl, der keine Hemmungen kannte, einem ein oder zwei Knochen zu brechen, wenn die Situation es verlangte.“
Nach kurzer Pause fuhr er fort: „Ich hatte keine Freunde, weil ich Abschaum war und ein Halbblut noch dazu. Die Menschen in Big Bass, Texas, hielten nicht viel von Indianern und Mexikanern, schon gar nicht, wenn sie sich mischten. Mein Dad war Weißer, und er fühlte sich auch so. Ich glaube, ich habe in jenen sieben Jahren mehr rassistische Anspielungen gehört als in all den Jahren danach.“ Er warf ihr einen Seitenblick zu. „Von meinem eigenen Vater. Ist das nicht zum Brüllen?“
Sie schüttelte den Kopf und kauerte sich tiefer in den Schalensitz. „Nein“, flüsterte sie. „Ist es nicht.“
Achselzuckend wandte er sich wieder der Straße zu. „Jemand machte ihn für mich und Mama fertig. Obwohl die, die ihm die Kehle durchschnitten, bestimmt keine Ahnung hatten, wie erleichtert seine Lieben daheim sein würden.“
Glory zuckte zusammen, und er lächelte: „Warte nur, Baby, es wird noch besser.“ Er überquerte die Canal Street und fuhr ins French Quarter. Nach einigen Blocks kreuz und quer waren sie nahe an der Bourbon Street. Santos fand einen Parkplatz, nahm ihn und öffnete seine Tür. „Bitte alles aussteigen für die nächste Station unserer Tour.“
Glory stieg aus, und er merkte, wie verunsichert sie war. Er folgte ihrer Blickrichtung. Bewusst hatte er einen der raueren, weniger von Touristen frequentierten Teile des Quarters gewählt, voller gefährlich wirkender Bars und verfallender Gebäude. Dieses Stück New Orleans war so weit weg vom Garden
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