Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
während er sich eingeredet hatte, die Beherrschung zu bewahren, war sie ihm entglitten.
Er atmete tief ein. Sie war Jungfrau gewesen. War. Nun nicht mehr. Jetzt war sie sein, und er würde sie nicht mehr hergeben. Niemals. Nicht kampflos.
Sie öffnete die Tür. Glory stellte sich neben ihn. „Es ist eine schöne Nacht.“
„Ja, das ist es.“ Er umschlang sie mit beiden Armen, zog sie an sich und legte das Kinn auf ihren Kopf. „Wenn ich hier leben würde, verbrächte ich viel Zeit an dieser Stelle. Zu viel vermutlich.“
Sie murmelte etwas Unverständliches und lehnte sich stärker an. Er merkte, dass sie zitterte, und zog sie fester an sich. „Kalt?“ fragte er und rieb seine Wange an ihrem seidigen dunklen Haar.
„Nicht mehr.“
„Gut.“ Er ließ die Finger durch ihr Haar gleiten und spürte den heftigen Drang, sie immer zu beschützen. Er würde alles für sie tun, seinem bisherigen Leben den Rücken kehren und Zugeständnisse machen, die er vor einer Stunde noch nicht für möglich gehalten hätte. Er liebte sie so sehr, dass es ihm Angst machte.
Wenn er ihr doch nur völlig vertrauen könnte, wenn er bloß nicht diese nagenden Zweifel an ihr hätte. Sie war zu jung und zu privilegiert, sie waren zu verschieden, um jemals wirklich zusammenzugehören.
Wenn sie sich ihren Eltern gestellt und ihre Liebe gestanden hätte, würde er ihr rückhaltlos sein Herz schenken. Dann hätte er keine Angst, ihr zu trauen.
Teilweise verstand er ihre Bedenken, jedoch nicht ganz. Er wollte, dass sie sich zu ihm bekannte. Sie sollte allen, einschließlich ihren Eltern, stolz erklären, sie wolle nur ihn. Solange sie das nicht tat, konnte er ihr nicht die ersehnte Liebeserklärung geben.
Sie seufzte, und er beugte sich weiter hinunter. „Du bist still heute Abend.“
„Ja, bin ich.“ Sie schmiegte sich enger an ihn.
„Tut es dir Leid?“ Er sandte ein Stoßgebet zum Himmel, sie möge nicht Ja sagen. Er machte sich auch so schon genug Vorwürfe.
„Nein.“ Sie wandte ihm das Gesicht zu und sah ihn forschend an. „Dir etwa?“
„Nein, wie könnte es“, erwiderte er sanft. „Es war noch nie so … wunderbar.“
Das stimmte. Es war fast unerträglich schön gewesen.
Sie drehte sich in seinen Armen zu ihm um. „Hattest du … schon viele Mädchen?“
„Nicht viele.“ Er wählte seine Worte mit Bedacht. „Aber ein paar.“
Sie krallte die Finger in sein Hemd. „Haben sie dir etwas bedeutet – oder eine besonders?“
„Nein. Nicht …“ Er musste sich räuspern. „Nicht so wie du.“
Sie sah ihn einen Weile stumm an und wiederholte nachdrücklich: „Es tut mir nicht Leid. Kein bisschen.“
Zärtliche Gefühle für sie überschwemmten ihn geradezu, und er bemühte sich tief durchatmend, seiner Rührung Herr zu werden. „Das freut mich“, flüsterte er. „Es wäre schlimm für mich, wenn du jetzt traurig wärst.“
Lange hielten sie einander nur schweigend fest. Santos hätte nicht gedacht, dass es so zwischen Mann und Frau sein kann: heiß und leidenschaftlich, zart und harmonisch. Er kannte bisher kein Paar, bei dem es so gewesen war.
Wenn Glory bloß älter wäre. Dann könnten sie heiraten und notfalls miteinander weggehen.
„Woran denkst du?“ fragte sie und wich ein wenig zurück, um ihn ansehen zu können.
Er ließ den Daumen über ihre volle Unterlippe gleiten. „Warum fragst du?“
„Weil du geseufzt hast.“
Er war sich dessen nicht bewusst gewesen und fürchtete schon, sie könnte seine Gedanken lesen. „Ich dachte über das Wenn nach.“ „Verstehe ich nicht.“
„Eine meiner Sozialarbeiterinnen sagte immer: ,Tja, wenn das Wörtchen wenn nicht wär … Werde erwachsen, Victor.‘ Sie war keine besonders mitfühlende Seele.“
Glory schlang die Arme fester um seine Taille. „Ich glaube, ich hasse sie.“
„Nicht nötig. Ich habe sie damals so gehasst, das reicht für zwei.“
„Und … über welches Wenn hast du eben nachgedacht?“
„Ich glaube, das weißt du.“
Sie wusste es offenbar, denn ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie senkte den Blick.
„Ist schon in Ordnung, Glory.“
„Wirklich?“
Er nickte nur. „Um welche Zeit musst du zurück sein?“
„Halb zwölf.“ Ihr war das Bedauern anzuhören. „Ich habe Liz versprochen, pünktlich zu sein.“
„Es ist fast so weit.“
Glory seufzte: „Dann gehen wir besser, sonst macht sie sich Sorgen.“
Keiner bewegte sich, die Sekunden verstrichen. Santos vergrub die Finger in ihrem Haar
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