Verbotene Gefuehle
dass sie weiß, wer Kay ist. Aber sie weiß definitiv, dass zumindest ich nicht das bin, was ich zu sein vorgebe.“
„Wie kommst du darauf?“, unterbricht Kay unseren Smalltalk. Genau! Das würde mich auch interessieren. „Nun“, Selena sieht aus, als sei ihr das Ganze ziemlich unangenehm.
Kay und ich begreifen im selben Moment.
Selena zuckt mit den Schultern, als sie erkennt, dass wir wissen, worauf sie hinauswill.
„Ja“, gibt sie dann zu, „ich habe ziemlich rasch festgestellt, dass eure liebliche Internatsleiterin auf Frauen steht. Natürlich habe ich genau das auch ausgenützt. Allerdings, so weit wollte ich dann doch nicht gehen.“ Nachvollziehbar! Zum Zeichen, dass wir wirklich verstehen, was Selena uns sagen will, verziehen wir unangenehm berührt unsere Gesichter.
Doch dann …
„Kay!“, stoße ich angstvoll hervor.
Sofort ist er an meiner Seite.
„Was ist, Kl … Kim?“
Wir werden beide rot, doch ich beeile mich, zu sagen, was mich belastet. Ich kann meinen schrecklichen Gedanken nicht mehr länger alleine ertragen und es ist, trotz allem, eine Erleichterung für mich, endlich mit jemandem reden zu können.
„Selena, du hast gesagt, sie, also Mrs. McMillan, habe nur dich auf dem Kieker … aber Kay … Gott, Selena, wenn sie weiß, wer ich bin, dann weiß sie auch, wer Kay ist!“
Ich weiß, ich labere Müll, aber ich vertraue darauf, dass sowohl Selena, als auch Kay wissen, was ich ihnen zu vermitteln versuche.
„Du denkst, wegen des Namens“, konstatiert da auch bereits Selena und runzelt ihre glatte Stirn.
Ich nicke heftig.
„Wenn sie unsere Kinderschwester war, oder wie immer man das bezeichnen mag, dann kennt sie doch unsere Namen …“
„Beruhige dich!“, bittet Kay, „meinen Namen gibt es sicher mehr als einmal.“ Seine Hand liegt beruhigend auf meiner Schulter. Beruhigend, ja? „Ja, aber in Zusammenhang damit, dass ich hier ebenso plötzlich aufgetaucht bin, wie du …“ Okay, Kim – beruhige dich! „Selena, was denkst du?“, wendet sich Kay an unsere Lehrerin, als hätte ich nix gesagt. Seine Hand lässt er trotzdem an Ort und Stelle.
… und brennt mir damit ein Loch in die Schulter … „Daran habe ich ehrlich gesagt noch nicht gedacht“, wägt sie vorsichtig ab, „Kim könnte tatsächlich Recht haben.“
„Siehst du?“, funkele ich ihn an.
„Ist mir egal!“, höre ich Kays Worte und denke, ich hätte mich ver hört.
„Das meinst du nicht im Ernst!“, knalle ich ihm vor den Latz.
„Doch, tue ich“, erwidert Kay ohne mit der Wimper zu zucken und ich sehe ihm an, wie ernst es ihm damit ist.
„Aber dann bist du auch in Gefahr“, wimmere ich.
Ich will nicht, dass jemandem etwas passiert. Und schon gar nicht Menschen, die mir helfen wollen. Und schon gleich gar nicht ihm ! Auch wenn ich noch immer sauer auf Kay bin – oder mir zumindest größte Mühe gebe, es zu sein - gehört er doch zu den Guten in diesem Spiel.
„Was werden wir jetzt tun?“, frage ich gezielt Selena und hoffe, sie unterstützt mich in irgendeiner Weise.
Pustekuchen!
Als ich begreife, auf was sie hinauswill, flattern meine Magenwände wie Fähnchen im Wind.
„Zunächst einmal müssen wir so tun, als ob alles in Ordnung ist“, antwortet Selena, „und das bedeutet auch, dass wir uns auf die Halloween-Party vorbereiten werden, als sei nichts geschehen.“ Nichts geschehen? Meint sie damit etwa …? „ Kay, Kim …ich weiß, ihr habt mit wirklich großen Problemen zu kämpfen …“ Ach ja? Weißt du wirklich alles? „Die Gefahr, in der Kim jedoch schwebt, sollte selbst euch davon überzeugen, dass ihr eure privaten Belange hinten anstellt.“ Jetzt klingt sie wirklich wie eine Lehrerin. Aber sie hat schließlich Recht.
„Will heißen: Kay und ich haben uns wieder versöhnt?“, krächze ich.
Eine Antwort erwarte ich nicht. Das ist die einzige Möglichkeit, weiterhin so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre.
Und wenn ich mir nur fest genug einbilde, dass ich ja nur so tue, als ob alles wieder gut wäre, zwischen Kay und mir … Belüg dich doch nicht selbst, Kim! „ Denkst du, du kannst wieder auf dein Zimmer gehen?“, fragt Selena sanft.
Ich werfe einen Blick durchs Fenster. Der Morgen dämmert bereits. Die ganz schlimme Angst, die mich noch während der Dunkelheit fest im Griff hatte, ist einem latenten unguten Gefühl gewichen.
Nichts, das ich nicht in Griff kriegen kann.
„Sicher“, antworte ich flapsig, „kein Problem!“
Kay kann ich damit nicht täuschen. Auch klar.
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