Verbotene Leidenschaft
etwas anderes.«
Marc tritt auf mich zu.
Ich wende mich ab. »Bitte, Marc. Ich kann nicht …«
»Auf dem Campus bist du sicher. Geh zurück in dein altes Zimmer. Nimm wieder am Unterricht teil. Ich werde nicht in deine Nähe kommen, wenn du Freiraum brauchst. Du wirst nicht einmal merken, dass ich existiere.«
Der vertraute Schmerz macht sich in meiner Brust breit. Ich will nicht, dass er nicht existiert. Allein die Vorstellung, ihn nicht sehen, mit ihm reden zu können, ist schrecklich. Aber ich brauche etwas Raum. Solange ich hier bin, kann ich keinen klaren Gedanken fassen. Und was das Ivy College betrifft, hat er vollkommen recht. Dort bin ich sicher.
»Okay.«
❧ 40
A uf der Fahrt zum College starre ich auf den grauen Asphalt. Normalerweise würde ich mit Keith plaudern, stattdessen lasse ich wortlos die Stadt vor dem Fenster vorüberziehen.
Irgendwann beginnt es zu nieseln, dann färbt sich der Himmel tiefschwarz, und es schüttet wie aus Kübeln.
»Prima Wetter«, bemerkt Keith.
»Allerdings«, murmle ich. Unglaublich, wie schnell sich alles von Grund auf ändern kann. Heute Morgen war ich noch voller Hoffnung. Marc und ich hatten eine gemeinsame Zukunft. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Ich wünschte, ich könnte jetzt bei Marc sein, aber wie soll es jemals zwischen uns funktionieren, wenn er mich am liebsten einsperren würde, nur damit ich keine eigenen Entscheidungen treffe?
Eine klassische Melodie ertönt, und auf dem Display meines Handys erscheint Davinas Telefonnummer.
»Hallo?«
»Sophia? Ich wollte mich nur bei Ihnen melden.«
»Oh, hallo.« Ich werfe Keith einen Seitenblick zu.
»Haben Sie sich schon entschieden?«
Ich muss an Marc und seinen übermächtigen Beschützerinstinkt denken. Ich habe keine Ahnung, was er sagen wird, wenn ich die Rolle annehme. Vielleicht trennt er sich von mir. Oder aber dieser Vorfall schweißt uns noch enger zusammen. Wie auch immer – ich muss ihm beweisen, dass ich selbst weiß, was gut für mich ist. Dass ich sehr wohl Entscheidungen treffen kann, die mir bei meinem Fortkommen helfen. Ich verdränge jeden Gedanken an Giles Getty.
»Ich nehme die Rolle«, sage ich. »Ja, ich nehme sie.«
»Das ist ja wunderbar!«, ruft sie, dann herrscht Stille. »Allerdings klingen Sie nicht sonderlich glücklich.«
»Es ist nur … ich habe gerade eine Menge um die Ohren.«
»Leider läuft uns die Zeit davon. Können Sie gleich morgen früh vorbeikommen?«
»Ja, natürlich. Dann bis morgen.« Gerade als ich auflegen will, höre ich sie meinen Namen rufen. Ich halte mir das Telefon wieder ans Ohr. »Entschuldigen Sie. Ja?«
»Wollen Sie denn gar nicht wissen, wo wir uns treffen? Und wann?«
»Oh, ach ja.«
»Morgen früh um sieben im Tottenham Theatre. Wir schicken einen Fahrer, der Sie abholt. Geben Sie mir nur Ihre Adresse.«
»Ivy College.«
»Ivy College? Sind Sie nicht bei Marc?«
»Nein, im Moment nicht.«
»Oh.« In der nachfolgenden Stille höre ich förmlich die Rädchen in ihrem Kopf rattern.
»Stimmt etwas nicht?«, frage ich.
»Doch, doch. Das Ivy College ist perfekt. Wie ist Ihre Mailadresse? Ich schicke Ihnen das Skript und ein paar MP3s.«
Ich gebe ihr meine Mailadresse.
»Wunderbar. Dann bis morgen.«
Als Keith mich auf dem Parkplatz aussteigen lässt, regnet es immer noch. Ich bedanke mich bei ihm, ziehe mir den Mantel über den Kopf und laufe über den Kiesweg zum Unterkunftstrakt.
Weit und breit ist niemand zu sehen, doch im Speisesaal brennt Licht. Vermutlich sitzen alle gerade beim Abendessen.
Ich sollte auch etwas essen, aber ich habe keinen Hunger. Mein Magen ist wie zugeschnürt, und die Traurigkeit scheint bis in meine Knochen vorgedrungen zu sein.
Ich laufe den Kiesweg entlang, spüre die dicken Tropfen gegen mein Gesicht und meine Beine klatschen.
Als ich den Unterkunftstrakt erreiche, kommen die Tränen. What a difference a day makes – heißt es nicht so in diesem berühmten Song? Heute Morgen bin ich Hand in Hand mit Marc aus diesem Gebäude getreten. Die Lage war zwar nicht leicht, aber wir hatten definitiv eine Zukunft.
Jetzt weiß ich nicht, ob es noch so ist.
Mein Zimmer ist dunkel und eiskalt, aber es spiegelt meine Verfassung so perfekt wider, dass ich keinen Versuch unternehme, etwas an diesem Zustand zu ändern. Ich schlüpfe in meinen Schlafanzug, krieche unter die Bettdecke und lasse meinen Tränen freien Lauf.
Ich bringe noch nicht einmal die Energie auf, richtig zu weinen.
Weitere Kostenlose Bücher