Verbotene Leidenschaft
gut ist. Aber ich weiß nicht, ob tatsächlich alles gut ist.
»Was ist passiert?«
Marc stößt einen Seufzer aus.
»Ich war jung und dumm und habe nicht gemerkt, worauf ich mich da eingelassen hatte. Erst als es zu spät war. Als Getty mich in die Szene eingeführt hat, ist etwas in mir erwacht. Mein wahres Ich, könnte man sagen. Oder zumindest der Teil von meinem Ich, der ich gern sein wollte. Ein cooler Mann, der alles im Griff hat. Der souverän ist. Vermutlich hat Getty etwas in mir gesehen, was seinem Naturell ähnlich war.«
Ich schüttle den Kopf. »Ihr beide seid euch doch nicht ähnlich.«
»Doch, sind wir«, widerspricht Marc. »Mehr, als dir bewusst ist. Getty hat mich in diese Welt eingeführt, in der ich sexuell das Ruder in die Hand nehmen konnte. Er hat mich in die einschlägigen Clubs mitgenommen und mir die Frauen vorgestellt.«
Wieder spüre ich eine Woge der Übelkeit – teilweise weil die Vorstellung von ihm mit anderen Frauen unerträglich ist, in erster Linie aber wegen des scheinbar sehr hohen Stellenwerts, den Getty einst in Marcs Leben hatte.
»Als ich in die Szene kam«, fährt Marc fort, »waren all die negativen Gefühle, die ich bis dahin mit mir herumgeschleppt hatte, auf einen Schlag verschwunden. Meine Minderwertigkeitsgefühle und die Angst, die ich in diesem Leben an der Seite meines Vaters entwickelt hatte. Mit einem Mal waren sie weg. Und das Machtgefühl, das ich empfunden habe, war enorm.«
Mir fällt auf, dass der Abstand zwischen uns größer geworden ist.
»Gleich bei meiner ersten Begegnung mit einer der Frauen aus Gettys Club wollte sie, dass ich sie fessle. Je fester ich sie gefesselt und vehementer dominiert habe, umso besser gefiel es ihr. Und ich fühlte mich plötzlich so lebendig. Als wäre ich zum ersten Mal ich selbst. Als wäre mein wahres Ich ans Licht gekommen.«
»Also hast du und diese Frau …«
Marc winkt ab. »Ich habe keine Ahnung, was aus ihr geworden ist. Sie war nicht wichtig. Es ging nicht um sie, sondern um mich. Ich bin noch vielen Frauen wie ihr begegnet, weil ich recht schnell gelernt hatte, die Zeichen zu erkennen.«
»Bei mir auch?«
»Ja«, antwortet er wie aus der Pistole geschossen.
»Du wusstest von Anfang an, dass es dir Spaß machen würde, mir wehzutun?«
»Nein, das war nicht der Punkt. Sondern es ging darum, dich zu dominieren. Das war genau das, was du brauchtest. Und du brauchst es auch jetzt noch.«
Marc streckt die Beine aus und legt den Arm auf die Kante des Fensters.
»Getty war schlau. Anfangs hat er mir nicht gezeigt, wer er in Wahrheit war. Wir haben bloß zusammen einschlägige Clubs besucht, deshalb dachte ich, dass Getty auf dasselbe steht wie ich. Aber er wollte mehr. Er hat es genossen, wenn Frauen Schmerz zugefügt wird. Wenn Frauen keine Lust mehr dabei empfinden. Das hat ihn erregt. Und es gibt Orte, an denen man dabei zusehen kann. Und sich selbst daran beteiligen.«
Ich schlucke schwer, da mir die Galle hochzukommen droht. »Und … hast du das auch getan?«
Marc schüttelt vehement den Kopf. »Ich sagte doch bereits, dass es bei mir nicht um Schmerzen ging, sondern darum, jemandem Lust zu spenden, indem ich die Kontrolle übernehme. Manchmal sind damit auch Schmerzen verbunden, aber ich ertrage die Vorstellung nicht, dass einer Frau gegen ihren Willen Schmerzen zugefügt werden. Meine Mutter und meine Schwester wurden von einem Mann verprügelt, dessen Aufgabe es eigentlich war, sich um ihr Wohlergehen zu kümmern. Mir wird bei dem Gedanken sogar schlecht, wenn einer Frau wehgetan wird, obwohl sie es nicht will.«
»Und was ist dann passiert?«, frage ich. »Mit Getty und dir, meine ich?«
»Als ich herausgefunden habe, wie er in Wahrheit tickt, habe ich ihm die Freundschaft gekündigt und ihn bei der Polizei angezeigt. Aus Rache hat er meine Schwester verfolgt und eine Story nach der anderen über sie in Umlauf gebracht.«
»Die arme Annabel.« Wieder überkommt mich eine Woge der Übelkeit.
»Damit hat er ihr Leben zerstört«, erklärt Marc mit sachlicher Stimme. Inzwischen lenkt Keith die Limousine durch den zähen Morgenverkehr. Marc sieht aus dem Fenster. »Ohne all diese gemeinen Artikel über sie hätte sie ihr Leben im Handumdrehen wieder in den Griff bekommen. Aber so hatte sie nie die Chance dazu.«
Eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander.
»Danke«, sage ich schließlich. »Dafür, dass du es mir erzählt hast. Ich wünschte, du hättest es schon viel früher getan.
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