Verbotene Leidenschaft
sie. Wenn wir spüren, dass jemand Vertrauen in uns setzt, glauben wir auch selbst an uns.«
»Vielleicht tue ich mich ja deshalb mit Davina so schwer. Sie hat nämlich nicht einmal ein Fünkchen Vertrauen in mich.«
»Diva Davina? Lassen Sie sich von ihr nicht ins Bockshorn jagen. Sie ist in Musicalkreisen bestens bekannt, und nach allem, was ich gehört habe, ist sie nichts als eine übellaunige Tyrannin. Sie mag in vielerlei Hinsicht eine gute Regisseurin sein, lässt ihre schlechte Laune aber bevorzugt an ihren Darstellern aus.«
»Mit Leo kommt sie wunderbar klar.«
»Was kein Wunder ist, schließlich ist er ein berühmter Hollywoodstar. Sie weiß schon, mit wem sie sich gut stellen muss. Ihn fasst sie natürlich mit Samthandschuhen an. Alles eine Frage der Beziehungen.«
»Aber nicht ganz zu Unrecht. Ich bin nicht annähernd so gut wie Leo. Ich bin eine Amateurin.«
»Und zwar eine unglaublich talentierte. Vergessen Sie das nicht. Leo mag jahrelange Erfahrung haben, aber Ihr Talent hat er nicht. Sie brauchen nur ein bisschen Feinschliff, das ist alles.«
Ich lache. »Genau das hat Leo auch gesagt.«
»Und was sagt Marc?«
»Dass ich die Zügel mehr in die Hand nehmen muss.«
»Das ist ein gutes Argument. Also, fangen wir an? Singen Sie sich ein bisschen warm, und dann wollen wir doch mal sehen, ob Sie diese Songs nicht hinausgeschmettert bekommen, dass die Wände wackeln. Okay?«
»Okay.«
❧ 72
D ie Gesangsstunde mit Denise ist genau das, was ich gebraucht habe. Ich verlasse ihr Studio so unbeschwert und gut gelaunt, wie ich mich seit der Trennung von Marc nicht mehr gefühlt habe.
Es ist schon spät, aber ich genieße es, durch das Schneetreiben zu schlendern und meinen Gedanken nachzuhängen.
Weit und breit ist niemand zu sehen. Mir fällt wieder ein, dass Tanya etwas von einem Test gesagt hat, der morgen auf dem Programm stehen soll. Vermutlich sind alle in ihren Zimmern und lernen. Aber als ich auf den Unterkunftstrakt zukomme, höre ich eine Männerstimme.
»Du hast versprochen, dass ich Zugang zum Campus bekomme. Aber das kann man wohl kaum Zugang nennen.«
O Gott. Ich erkenne die Stimme auf Anhieb wieder. Ein Schauder überläuft mich, der eindeutig nicht von der nächtlichen Kälte herrührt.
Mit klopfendem Herzen presse ich mich gegen die Hauswand. Dann höre ich eine zweite Stimme. Sie gehört einer Frau.
»Woher hätte ich denn wissen sollen, dass sie nicht da ist?«
»Versuch bloß nicht, Spielchen mit mir zu spielen «, sagt die Männerstimme.
O Gott. O Gott. O Gott.
Das ist Giles Getty.
❧ 73
M eine Kehle ist wie zugeschnürt, und ich kralle mich an der Hauswand fest.
All meine Instinkte sagen mir, die Beine in die Hand zu nehmen und in die entgegengesetzte Richtung davonzulaufen, aber damit würde ich riskieren, dass er mich sieht.
»Du hast es vergeigt. Sie muss bei ihm sein. Ich muss ein andermal wiederkommen« , hallt seine abgehackte Stimme durch die Nachtluft.
Dann ertönen Schritte. Mir dämmert, dass jemand auf mich zukommt.
Den Rücken immer noch fest gegen die Hauswand gepresst, schiebe ich mich zentimeterweise seitwärts. Mittlerweile stehe ich mitten in einem Blumenbeet. Obwohl mir die Winterstiefmütterchen, die ich zertrample, aufrichtig leidtun, arbeite ich mich weiter in Richtung einer Ligusterhecke.
Gerade als er um die Ecke biegt, tauche ich in der Hecke ab und spüre, wie Zweige knackend zerbrechen und mein Gesicht und meine Hände streifen.
Er bleibt abrupt stehen und blickt sich um, doch es ist zu dunkel, als dass er mich sehen kann. Schließlich geht er weiter.
Mit angehaltenem Atem lausche ich seinen Schritten, die keinen Zweifel daran lassen, dass er aufgebracht und wütend ist. Giles Getty ist kein glücklicher Mensch. Kein Mann, der mit sich im Reinen ist. Ich muss wieder daran denken, was Marc über ihn gesagt hat: Dass es ihn erregt, Frauen leiden zu sehen.
Noch immer kauere ich hinter der Hecke, traue mich nicht, mich zu bewegen, als ich einen Laut höre, der sich geradewegs in meine Eingeweide schneidet.
Es ist ein gequältes, aus den Tiefen der Seele aufsteigendes Schluchzen, das durch Mark und Bein geht. Beängstigend und so eindringlich, dass es sämtliche Lebensfreude aus meinem Inneren herauszusaugen droht.
Zögernd trete ich hinter der Hecke hervor, verängstigt, aber zugleich traurig und voller Mitleid für denjenigen, der so herzzerreißend schluchzt. Das Weinen hört sich seltsam an. Unnatürlich. Wie von Sinnen.
Ich
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