Verbotene Lust
dass sie sie allein im Haus ließ), aber er hätte ja wenigstens fragen können …
Sie sicherte das Manuskript auf einem zusätzlichen USB-Stick, speicherte und fuhr das Notebook herunter. Dann ging sie in den Wohnraum. Der Tisch war – wie inzwischen jeden Abend – festlich gedeckt, und aus der Küche waberte ein Potpourri der Düfte herüber, das in Sonja die Vermutung weckte, dass Marlene sich zu neuen Höchstleistungen aufschwang.
André saß auf dem Sofa und las Zeitung.
Sie setzte sich auf den Hocker ihm gegenüber. Er schaute kaum auf.
»Hey«, sagte sie leise.
»Hm«, machte er, raschelte noch mal mit der Zeitung. Sonja legte die Hand auf die obere Kante und drückte die Zeitung nieder.
»Redest du nicht mehr mit mir?«
André seufzte. »Einen Moment, ja?«
»Möchtest du einen Aperitif?« Marlene kam mit zwei Gläsern Prosecco aus der Küche. Sonja stand auf. Da André es ja nicht für nötig hielt, sich mit ihr zu unterhalten, nachdem sie sich seit dem Frühstück nicht gesehen hatten, konnte sie genauso gut Marlene in der Küche Gesellschaft leisten.
»Und?«, fragte Marlene, nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatten. »Wie kommst du mit dem Schreiben voran?«
Genau die Frage, die sich Sonja im Grunde von André erhofft hatte.
»Es geht«, sagte sie vorsichtig. Definitiv nicht die Antwort, die sie André gegeben hätte.
André hätte sie gerne erzählt, welche Probleme sie mit der Heldin ihres Romans hatte. Dass sie so antriebslos war und Sonja verzweifelt nach einer Möglichkeit suchte, zusätzliche Dynamik in die Handlung zu bringen. Aber André hatte sich, da sie nun mit Marlene redete, wieder hinter seiner Zeitung verschanzt.
Vielleicht war er sogar froh, dass er nicht mit ihr reden musste.
»Ich stell mir das ja schwer vor, so einen Roman zu schreiben.« Marlene trat wieder in die Küche. Auf dem Herd brutzelten Filets in der Pfanne, und ein herrlicher Kräuterduft vermischte sich mit dem Geruch nach gebratenem Fleisch.
»Ist es auch.«
»Ich meine, du musst dir das alles ausdenken, ja? Woher weißt du, was als Nächstes passiert?«
Sonja schenkte sich vom Prosecco nach, während sie über eine Antwort nachdachte. »So genau weiß ich das vorher nicht«, sagte sie. »Natürlich weiß ich, was in dem Roman passieren soll, aber die einzelnen Szenen sind dann irgendwie eher …« Sie verstummte.
Es fiel ihr schwer, Marlene zu erklären, wie ihre Arbeit vonstattenging. Zumindest am Beispiel des Romans, den sie gerade schrieb, denn da war so vieles noch in Bewegung …
»Also, zum Beispiel bei deinem letzten Roman. Da hab ich mich gefragt, wie du auf diese verrückte Szenegekommen bist, in der die Heldin von ihrem besten Freund gerettet wird. Es klingt so unglaublich!«
»Ja, das ist es vielleicht auch.« Gerade wollte Sonja zu einer Erklärung ansetzen, als Marlene zum Herd sprang und die Pfanne herunterzog.
»Essen ist fertig!«, rief sie laut genug, dass es auch André hörte. Und ehe Sonja sich versah, saßen sie alle am Tisch, reichten Schüsseln und Platten herum und redeten über alles Mögliche, nur nicht über ihre Arbeit.
In ihr rumorte es.
Als sie abends mit André im Bett lag und las, ließ sie das Buch sinken.
»Was machen wir mit Marlene?«, fragte sie leise.
»Was willst du denn mit ihr machen?« André wandte sich ihr zu. Seine Hand streichelte ihre Schulter. »Hast du ein gesteigertes Interesse an ihr?«
Sonja fröstelte. Sie entzog sich seiner Hand. »Ach, Quatsch. Ich meine nur, also … falls sie ein gesteigertes Interesse entwickelt. An dir zum Beispiel.«
»Wäre das ein Problem für dich?«, fragte er leise.
Sie nickte stumm.
Er schwieg lange. Sonja blickte ihn unverwandt an. Sag es, dachte sie mit zunehmender Wut. Sag, dass du die Finger von ihr lässt.
Aber er beugte sich nur vor und küsste sie auf die Stirn. »Mach dir keine Sorgen.«
Er löschte das Licht auf seiner Bettseite, und sie tat es ihm mit einer wütenden Handbewegung gleich.
Als sie diese Nacht wach lag, fiel ihr auf, dass André und sie seit Tagen nicht mehr miteinander geschlafen hatten.
Seit Marlene im Haus war.
Der kleine Cunnilingus, befand sie, zählte doch gar nicht.
7. Kapitel
Als Marlene am nächsten Morgen kurz nach sieben nach unten kam, war sie überrascht, dass Sonja schon an dem wuchtigen Esstisch saß. Ihre schmalen Finger umschlossen den riesigen Kaffeebecher.
»Guten Morgen«, sagte sie leise und blieb am Fuß der Treppe stehen. Bei Sonja, das hatte sie in
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