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Verbotene Lust

Verbotene Lust

Titel: Verbotene Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jule Winter
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Schultern zu legen. Während sie noch auf der Treppe stand, klappte Marlene bereits den Deckel eines Kartons auf.
    »Das musst du dir ansehen!«, rief sie aufgeregt. »Das sind Hunderte Fotos! Und ein Album!«
    Sonjas Neugier war geweckt. Sie betrat den Dachboden und zog den Kopf ein, als sie zu Marlene ging. Diese hatte sich, ohne sich um den Dreck und den Staub zu kümmern, kopfüber in den Karton gestürzt und wühlte darin herum. Ihre Stimme klang gedämpft. »Und Programmhefte, und schau mal, Notizbücher …«
    Sie hielt Sonja die Schätze hin, die sie mit beiden Händen aus dem Karton barg.
    Sonja nahm ein Foto. Es zeigte eine Familie,aufgenommen war es wohl zur Kaiserzeit, denn die drei Mädchen, die wie die Orgelpfeifen vor dem Vater in Uniform und der sitzenden Mutter aufgereiht standen, trugen Matrosenkleidchen. Sie drehte das Bild um. Auf der Rückseite war der Name eines Hamburger »Photographie-Studios« aufgestempelt.
    »Hübsch«, murmelte sie.
    »Hübsch?«
    »Hör mal, Marlene … Vermutlich gehören die Sachen dem Hausbesitzer, und er mag es bestimmt nicht, wenn wir in seinen Familienerinnerungen herumkramen …«
    Marlene erstarrte mitten in der Bewegung. Sie setzte sich auf die Dielenbretter. Ihre Finger strichen über ein Foto, auf dem etwa sechzig junge Männer in Militäruniform strammstanden.
    »Hast du viele alte Fotos von deiner Familie?«, fragte sie leise.
    Darüber hatte Sonja noch nie nachgedacht.
    »Hast du Familie?«, schoss Marlene die nächste Frage auf sie ab.
    »Na ja, klar. Jeder hat Familie, oder nicht?«
    Jetzt hockte Sonja sich doch neben Marlene. Sie hatte das Gefühl, dass Marlenes aggressiver Unterton vor allem einen tiefen Schmerz verbergen sollte.
    Marlene studierte nachdenklich das nächste Foto. Sonja schaute ihr über die Schulter. Ein Mädchen, das so strahlend lächelte, dass es selbst Jahrzehnte später noch einen Zauber auf sie ausübte.
    »Und? Verstehst du dich gut mit deiner Familie?«
    Sonja zuckte mit den Schultern. »Normal, denke ich.«
    »Sie sieht glücklich aus, nicht wahr?« Marlene hielt das Bild hoch. »Schade nur, dass das Glück nie lange anhält.«
    Etwas Aggressives schwang in ihrer Stimme mit, das Sonja nicht zu deuten wusste.
    »Was ist mit deiner Familie?«, fragte sie sanft, während sie nun auch ein paar Bilder aus dem Karton nahm. Wieder eine Familie, dieses Mal standen die einzelnen Familienmitglieder vor einem geduckten Bauernhaus. Sie standen weit auseinander, als wollten sie nichts miteinander zu schaffen haben.
    »Ach, mein Vater hat sich früh aus dem Staub gemacht. Von ihm kam nur regelmäßig Geld. Und meine Mutter …«
    Marlene sprach nicht weiter.
    »Ja?«, hakte Sonja nach. »Was ist mit deiner Mutter?«
    Marlene atmete tief durch. Sie legte behutsam die Fotografien zurück in den Karton und nahm ein Album heraus, das an der Seite klemmte.
    »Nichts«, gab sie knapp zurück.
    So recht wurde Sonja nicht aus Marlene schlau. Während Marlene sich aufs Sofa setzte und begann, in dem Album zu blättern, suchte sie nach den richtigen Worten, um tiefer vorzudringen in Marlenes Welt. Herrje, sie war doch sonst nie um Worte verlegen.
    »Weißt du, was mir bei deinem letzten Roman aufgefallen ist?«, fragte Marlene, während sie behutsam das Seidenpapier umblätterte.
    »Nein, was denn?« Sonja hatte einen Stapel Briefe gefunden, die mit einem blassgrünen Seidenband umwickelt waren.
    »Deine Heldin hatte keine Freundin.«
    Sonja verharrte mitten in der Bewegung.
    Marlene hatte recht. Und das war nicht nur bei ihrem letzten Roman der Fall. Auch bei der aktuellen Geschichte, die sie schrieb, fehlte eine Freundin. Eine Ratgeberin. Eine Vertraute.
    Warum war sie da bloß nicht vorher drauf gekommen?
    Die Antwort lag auf der Hand: Sonja hatte keine Freundin. Vielleicht Isabel, aber das war noch zu frisch, um zu sagen, wie es sich entwickeln würde. Außerdem gab es ein Problem mit allen Frauen, die Sonja interessant fand. Früher oder später landeten diese Frauen mit ihr und André im Bett.
    »Stimmt. Darüber habe ich noch nie nachgedacht …« Sie sank neben Marlene aufs Sofa. Der Staub kitzelte in ihrer Nase, und sie musste niesen. Stumm hielt Marlene ihr eine Packung Taschentücher hin.
    »Hast du keine Freundinnen?«, stellte Marlene ausgerechnet die Frage, die Sonja in diesem Moment nicht beantworten wollte.
    Die Tränen kamen so plötzlich, dass Sonja überhaupt nicht darauf vorbereitet war.
    Sie schluchzte auf. Schüttelte abwehrend

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