Verbotene Lust
holen.
Sie stand gerade an der Anrichte und mischte in einem Krug Wasser und Apfelsaft, als der Staubsauger verstummte. Sie hielt den Atem an.
»Kann es sein, dass du mir aus dem Weg gehst?« Marlene trat in die Küche. Sie wirkte seltsam verletzt. Ihr schwarzes Haar hing ihr wieder tief in die Stirn, und sie hielt den Kopf gesenkt. Ein bisschen war sie wie ein Schulmädchen, das fürchtete, wegen etwas gemaßregelt zu werden.
»Nee, wieso?«, fragte Sonja.
»Wegen der Sache auf dem Dachboden. Weil wir uns geliebt haben.«
Sonja biss sich auf die Unterlippe. Sie schmeckte Blut. Musste Marlene es so direkt aussprechen?
»Ach, das. Darüber wollte ich ohnehin mit dir reden.« Sie nahm ein Glas aus der Schublade. »Versteh mich nicht falsch, aber … also, ich glaube, es wäre nicht gut, wenn wir das wiederholen.«
Marlene stand so dicht neben ihr, dass Sonja sieriechen konnte. Den herben Duft ihres Shampoos, und etwas Aufregendes, Süßes, das sie auch hatte schmecken dürfen, als sie sich küssten. Kurz fragte sie sich, ob Marlene wohl auch ein bisschen so schmeckte, wenn sie ihre Fotze küsste …
Nein, fort damit. Das war hier nun wirklich fehl am Platz.
»Hat es dir nicht gefallen?« Marlene klang enttäuscht.
Sonja lachte bitter.
»Darum geht es doch gar nicht«, gab sie heftig zurück. Sie schob sich an Marlene vorbei und marschierte wieder zu ihrem Arbeitszimmer.
»Worum dann?«, rief Marlene hinter ihr her. »Ich habe dir vorhin schon gesagt, dass André mich nicht interessiert! Ich will dich, und er schien ja nichts dagegen zu haben, dass ich dich verwöhnt habe.«
Sonja knallte den Krug auf ihren Schreibtisch. Sie fuhr zu Marlene herum. »Habe ich es dir nicht erklärt? Verstehst du denn nicht, dass es nicht geht?«
»Jeder Mann will seiner Frau dabei zusehen, wie sie’s mit einer anderen macht«, sagte Marlene ruhig. »Ich glaube, dein Mann bildet da keine Ausnahme.«
»Und wohin soll das führen?«, fragte Sonja müde.
»Ich weiß nicht.« Marlene zuckte mit den Schultern. »Eine Zeitlang geht’s uns gut, und dann gehen wir wieder getrennte Wege.«
»So einfach ist das?«, fragte Sonja.
»Für mich schon. Und wenn du nicht willst …« Etwas Zögerliches schwang in Marlenes Stimme mit. Aber sie straffte sich. »Wenn du nicht willst, bin ich einfach eine Zeitlang für dich da. Als Freundin.«
Sie löste sich vom Türrahmen. Ein letzter Blick in Sonjas Richtung, dann verschwand sie.
Als Freundin, dachte sie. So einfach war das also? Als Geliebte oder als Freundin, je nachdem, wonach ihr war?
Sie versuchte, sich wieder auf das Manuskript zu konzentrieren. Aber verdammt, wie sollte ihr das gelingen, wenn sie ständig daran denken musste, wie sich Marlenes Mund auf ihr angefühlt hatte? Wie Marlenes Finger an ihren Nippeln zupften und zwirbelten?
Sie blätterte im Manuskript ein Stück zurück, legte kurz die Finger auf die Tastatur, als müsste sie über das nachdenken, was nun kam. Und dann begann sie zu schreiben.
Patricia rief ihre Freundin Alice an. Seit sie sich kannten, hatten sie einander alles anvertrauen können, und in der Nacht, als sie sich vor vier Jahren kennenlernten, hatten Zungenküsse ihre Freundschaft besiegelt.
Sie lächelte zufrieden. Das passte. Plötzlich war ihr die Heldin nicht mehr so fremd.
An diesem Tag hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, es liefe gut. Seite um Seite floss aus ihr heraus, und sie machte nur Pause, um aufs Klo zu gehen oder etwas zu essen zu suchen. In der Küche stand Kuchen, und im Kühlschrank fand sie einen Teller Eintopf, den sie in der Mikrowelle aufwärmte.
Marlene war nicht da.
Es dämmerte, als jemand an die Tür klopfte.
»Ja?« Sonja lehnte sich zurück und streckte ihre verkrampften Rückenmuskeln. Zufrieden speicherte sie das Dokument ab.
»Hast du einen Moment Zeit?« André wartete ihre Antwort nicht ab, sondern betrat das Arbeitszimmer. »Ich muss mit dir reden.«
»Meinetwegen. Ich bin ohnehin gerade fertig.«
»Und? Ist es heute gut gelaufen?«
Sie speicherte die Datei auf dem USB-Stick, ehe sie alle Programme schloss und das Notebook herunterfuhr. Erst dann antwortete sie. »Ich bin zufrieden.«
»Das ist gut.«
»Ich hoffe es … Bleibt immer noch zu viel zu tun.« Sie stand auf. »Ich könnte einen Kaffee vertragen.«
»Ich koch uns welchen.«
Sie folgte ihm in den Wohnraum. »Wo ist eigentlich Marlene?«, fragte sie. Inzwischen war sie doch irgendwie besorgt.
»Oh, ich hab ihr unser Auto geliehen. Sie
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