Verbotene Lust
sein.
Kurz darauf kam Marlene zurück und brachte ihr auf einem Tablett einen Becher Tee und eine Schale Kekse. Sie stellte das Tablett neben Sonja auf die Bank und hockte sich zu ihr. »Ist dir nicht zu kalt?«
»Ich hab ja eine Decke. Du sorgst doch für mich.« Sonja lächelte. Ihre Finger umschlossen den Becher, und sie probierte. »Lecker.«
»Kräutertees mag ja eigentlich niemand.«
»Besser, als den ganzen Tag Kaffee zu trinken, ist es allemal.«
Sie lächelten einander an, schwiegen. Es war einSchweigen, das Sonja guttat. Sie knabberte einen Keks, ehe sie etwas ansprach, das sie schon seit einigen Tagen vor sich herschob.
»Ich habe mir überlegt … Du hast doch meine anderen Bücher gelesen.«
Marlene nickte.
»Würde es dir was ausmachen, das hier zu lesen?« Sie wedelte mit dem Ausdruck.
»Du meinst … das Manuskript?« Marlene machte große Augen. »Meinst du das ernst?«
Sonja nickte. »Ich stelle es mir spannend vor. Ich glaube, du könntest mir ein paar hilfreiche Tipps geben, wie ich das Manuskript verbessern kann.«
»Das … das ist aber ein großer Vertrauensbeweis.«
Sonja lächelte still. »Ja«, sagte sie nur.
Es war für sie nur eine logische Konsequenz aus den vergangenen Tagen. Seit jener ersten gemeinsamen Nacht hatte sich das Zusammensein zwischen André, Marlene und ihr eingependelt. Obwohl André sich immer häufiger draußen aufhielt und joggen ging – und sie ihn immer wieder fragte, warum er sich das antat, ohne eine Antwort darauf zu bekommen –, war ihr Verhältnis zu Marlene von einem neuen Vertrauen geprägt. Obwohl sie noch immer zu wenig über Marlene wusste, um tatsächlich behaupten zu können, dass sie sich kannten.
»Es wäre mir eine große Ehre.«
Sonja lachte. Spielerisch hieb sie mit den Seiten nach Marlene. »Du bist schlimm!«
Sie grinste bloß.
»Ich druck dir die Seiten gleich aus.« Sonja stand auf. Sie nahm den Tee mit, als sie nach drinnen ging.
Manchmal glaube sie, der Himmel hätte ihnen Marlene geschickt. Irgendeine höhere Macht, die nicht wollte, dass André und sie länger unglücklich waren. Vielleicht war es auch einfach der Lohn, weil sie endlich an ihrer Beziehung arbeiteten und sich nicht länger versteckten.
Ja, das klang gut. Für sie klang es nach einer guten Erklärung.
* * *
Er spürte das Vibrieren seines Telefons beim Laufen. Es war leicht, es zu ignorieren, wenn es das erste Mal passierte. Schwieriger wurde es, wenn es nach kurzer Pause immer wieder anfing. Er biss die Zähne zusammen und lief schneller. Vielleicht konnte er es ignorieren.
An der Mole hielt er an. Wieder klingelte das Telefon, und er atmete ein letztes Mal tief durch, ehe er dranging.
»Was denn?«, blaffte er.
»Wenn ich gewusst hätte, dass du mich anbrüllst, bevor ich auch nur ein Wort sage, hätte ich dich wohl lieber nicht angerufen.« Bastians Stimme klang seinen Worten zum Trotz alles andere als amüsiert.
»Bastian.« Er schnappte nach Luft. »Ist es so dringend?«
»Sag du mir, ob es dringend ist, wenn die Angehörigen deiner Patientin dich verklagen wollen.«
André schloss die Augen.
Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße.
»Wir sollten uns schleunigst hier in Hamburgtreffen. Ich möchte alles darüber wissen, ehe ich der Gegenseite antworte.«
»Ich kann hier nicht weg.«
»So ein Quatsch! Du bist mit Sonja in einem Ferienhaus an der Ostsee und nicht in Timbuktu.« Bastian klang zunehmend ungeduldig. »Ich bin dein Anwalt, aber wenn du dich so unkooperativ verhältst, kann ich kaum etwas für dich tun. Aber bitte, das ist dann deine Entscheidung. Sag nur später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
André seufzte.
»Du hast Sonja noch immer nichts davon erzählt, stimmt’s?«
Er brauchte darauf nicht zu antworten. Bastian wusste, dass er nicht den Mut aufbrachte, ihr in die Augen zu sehen, wenn er ihr gestand, dass sein Fehler einen Menschen das Leben gekostet hatte.
»Du musst es ihr sagen.«
»Ja, verdammt, ja! Ich werde es ihr sagen. Aber nicht heute.«
»Dann komm nach Hamburg. Lass dir irgendwas einfallen. Darin, deine Frau zu belügen, scheinst du ja im Moment neue Höhen zu erklimmen.«
Er starrte ins Leere. Vor ihm erstreckte sich das Meer, grau und kalt. »Wann soll ich kommen?«
»Am besten sofort, damit ich den Schriftsatz heute Abend noch rausjagen kann. Es ist immer gut, schon vor Ablauf der Frist zu antworten und nicht auf den letzten Drücker.«
»Okay. Okay, ich komme.« Er überlegte fieberhaft. Wie
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