Verbotene Nacht (German Edition)
Tränen waren auf seine Brust gekullert.
“Eleonor? Hast du Schmerzen?”
“Es geht schon.”
“Bist du sicher?”
“Es geht schon.”
Er hatte ihr mit einer Hand über den Kopf gestrichen. “Schlaf jetzt”, hatte er gemurmelt. Das hatte sie getan. Bis sie mitten in der Nacht vor seinen streichelnden Händen geweckt worden war. Als sie zu ihm aufgeblickt hatte, hatte er sie auf seine Brust gezogen. Seine Hände hatten ihren Kopf umfasst, ihn zu sich gezogen. Er hatte sie geküsst, sanft und zärtlich, hatte zugleich die empfindlichsten Stellen ihres Körpers stimuliert, bis sie wieder bereit für ihn gewesen war. Dann hatte er sie erneut genommen, diesmal langsamer und rücksichtsvoller.
Nach ihrer Vereinigung war Elli erneut in seinen Armen eingeschlafen. Das Ganze hatte sich in den frühen Morgenstunden noch einmal wiederholt, bis Elli schließlich um halb acht aufgewacht war.
Er hatte noch geschlafen, als sie sich vorsichtig aus seinen Armen gelöst hatte. Schnell hatte sie ihre Kleider zusammen gesucht. Nachdem sie sich angezogen hatte, war sie auf der Suche nach Papier und Stift zu seinem Schreibtisch geschlichen. Dort hatte sie ihm Jankas Kontaktdaten und ihre Kontonummer notiert. Elli hatte den Zettel gut sichtbar auf Kyrills Schreibtisch platziert, mit der knappen Notiz, die Zahlung für die vergangene Nacht auf das angegebene Konto zu überweisen. Schliesslich hatte sie sich lautlos und unbemerkt aus dem Haus gestohlen.
Am Abend desselben Tages hatte Janka sie angerufen und sich bei ihr bedankt. Als ihre Schwester sich danach erkundigte, wieso die überwiesene Summe von einem gewissen Kyrill Kostic stamme, hatte Elli nur vage geantwortet, sie habe für Kostic gearbeitet und er hätte ihr noch Geld geschuldet.
Janka hatte nicht weiter nachgehakt. Wahrscheinlich hatte sie einfach angenommen, es handele sich bei Kyrill um einen von Ellis Verlegern.
Elli seufzte leise auf, als sie aus ihren Erinnerungen auftauchte und in die Gegenwart zurückkehrte. Sie lehnte sich ergeben in ihrem Stuhl zurück. Es war hoffnungslos. Sie konnte ihre Aufmerksamkeit beim besten Willen nicht auf ihre Arbeit lenken. Stattdessen dachte sie immer wieder an Kyrills Hände zurück, die sie so geschickt liebkost hatten, an seinen grossen, festen Körper, an seine verlangenden Küsse, die Art, wie er sich in ihr bewegt hatte.
Elli stöhnte gequält auf. Würde das jemals aufhören? Wie lange würde sie noch brauchen, um die Erinnerung an ihre erstes Mal hinter sich zu lassen?
Während dreier Tage hatte sie zu ihrem grossen Verdruss an nichts anderes denken können, als an Kyrill Kostic. Nun, gut, das war nicht verwunderlich. Schliesslich hatte sie mit Kyrill ihr erstes Mal erlebt. Natürlich dachte sie daran zurück, das tat bestimmt jede Frau. Ihre Erinnerung an die Nacht, die nie hätte sein sollen, hatte nichts mit Kyrill selbst zu tun. Jedenfalls nicht direkt. Es war einfach ein bedeutendes für sie Erlebnis gewesen, das war alles.
Doch eines war Elli bewusst: Wenn sie nicht wollte, dass die Erinnerung an ihr erstes Liebesspiel sie gänzlich von der Arbeit abhielt, so galt es, jetzt zu handeln. Sie wusste auch schon, was sie tun würde. Sie würde aufs Land ziehen, würde einige Wochen in der freien Natur verbringen. In der Pension ihrer Tante war sie jederzeit willkommen.
Frische Luft und ein Tapetenwechsel waren genau das, was ihre grauen Zellen jetzt brauchten, um wieder produktiv wirken zu können.
***
Ellis Finger flogen flink über die Tastatur. Sie befand sich ganz in den Phantasiewelten, die sie für ihre jugendlichen Leser konstruierte. Nachdem sie den Abschlusssatz ihres derzeitigen Romans fünfmal umformuliert hatte, erhob sie sich mit einem zufriedenen Seufzer. Sie streckte sich, trat ans Fenster. Die Gäste von Lisas Pension genossen ihr Mittagessen im Garten.
Erst jetzt merkte Elli, wie hungrig sie war. Kurzentschlossen legte sie eine Pause ein. Sie hüpfte die Treppe hinunter ins Erdgeschoss, trat in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Sie entschied sich für die Reste des Sommersalates, den ihre Tante gestern zubereitet hatte. An die Anrichte gelehnt, löffelte sie den Salat im Stehen aus. Danach nahm sie ein Glas aus dem Geschirrschrank, füllte es mit Wasser. Mit der Konzentration einer Forscherin hefteten sich ihre Augen auf die glasklare Flüssigkeit, jedoch ohne diese wahrzunehmen. Stattdessen dachte sie an das Wasserglas zurück, das sie im “Cleopatra” vor Kyrill auf den Tisch geknallt hatte.
Weitere Kostenlose Bücher