Verbotene Nacht (German Edition)
völlig verdreht! Genauso würde er es vor Gericht tun. Er würde alles tun, um das Sorgerecht für sein Kind zu bekommen. Er würde sie als verwahrlost beschreiben und sie gnadenlos durch den Schmutz ziehen, nur damit man ihm das Sorgerecht zusprechen würde. “Ich habe mich dieser Frau erbarmt, das ist alles”, untermauerte Kyrill seine Worte.
“Das… das stimmt so nicht.”
“Nein? Wer könnte denn das Gegenteil beweisen? Abgesehen von dir vielleicht? Mein Wort gegen deines. Wem wird man wohl glauben?”
Elli war blass wie ein Gespenst. Ihre Augen weiteten sich vor Kummer und Entsetzen. Ein klägliches Wimmern löste sich aus ihrer Kehle.
Kyrills Augen gruben sich hart und unerbittlich in die ihren.
“Dieses Kind werde ich großziehen.”
Mit diesen Worten drehte er ihr den Rücken zu und polterte aus ihrer Wohnung.
Ellis Beine gaben unter ihr nach. Kraftlos sank sie zu Boden.
Kapitel 6
Elli stürzte sich auf die Arbeit an ihrem neuesten Buch. Sie hatte ihm den Titel “Roter Diamant” gegeben. Die Geschichte handelte von einem gestohlenen Diamanten, den ihre vier Helden finden mussten.
Elli schrieb tagelang fast pausenlos durch, arbeitete von morgens acht Uhr bis abends acht Uhr. Beim Abendessen rieb sie sich jeweils die Augen, gerötet nicht nur vom Weinen sondern auch, weil sie zu lange und zu intensiv auf den Bildschirm gestarrt hatte.
Alles, was sich außerhalb von “Roter Diamant” abspielte, verdrängte Elli. Sie verdrängte ihre Verzweiflung über Kyrills Drohung, ihr das Sorgerecht für ihr Kind streitig zu machen. Sie versuchte, die Wut zu unterdrücken, die sie stets erzittern liess beim Gedanken daran, dass Kyrill in ihrem Privatleben geschnüffelt hatte. Jetzt wusste Kyrill alles über sie und Daniel, selbst über ihre Schwester Janka wusste er Bescheid. Woher hatte er bloß die Frechheit genommen, ihr Privatleben zu durchstöbern wie eine Aktenmappe?
Elli stöhnte gequält auf.
Seit Kyrills Drohung hatte sie sich ganz in ihre Phantasiewelt zurückgezogen. Sie verbrachte ihre Zeit nur noch mit Schreiben, tippte so schnell, wie ihre geübten Finger es zuliessen. Sie befand sich in einer äusserst intensiven Schreibphase, strotzte nur so vor Produktivität, schuf sich ihre eigene Welt mit ihren ganz persönlichen Helden. Gleichzeitig aber - auch wenn sie Mühe hatte, sich dies einzugestehen - befand sie sich auf der Flucht vor Kyrill und der Aussenwelt.
Spielte sie Kyrill mit ihrer Schreiblust nicht geradewegs in die Hände? Falls Kyrill sie dieser Tage ausspionieren ließ, würde er vor Gericht unzweifelhaft vortragen, dass sie, Elli, sich seit ihrer Schwangerschaft von der Wirklichkeit entfremdet hätte und sich nur noch in ihrer Phantasiewelt zurechtfände.
Im Moment entsprach dies sogar der Wahrheit. Sie hatte sich mit der Verzweiflung einer Ertrinkenden in eine Parallelwelt gestürzt, in der das Leben noch in Ordnung war. “Roter Diamant” liess sie ihren Kummer vergessen, die jungen Helden mit ihrer Abenteuerlust waren Balsam für ihre gequälte Seele. Die Jagd auf den Diamanten rückte ihr eigenes Leben in den Hintergrund, liess sie ihre Ängste und Nöte vergessen und liess ihr eigenes Leben verblassen wie eine Landschaft im Nebel.
Ellis Lebensrhythmus war dieser Tage einfach und vorhersagbar: Sie nahm morgens eine Dusch, ass mittags eine Kleinigkeit, abends ebenfalls und legte sich dann schlafen. Nachts träumte sie von “Roter Diamant” mit Kyrill Kostic in der Rolle des Bösewichts.
Elli arbeitete hart. Tatsächlich steckte sie so viel Energie in ihren Roman, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigte und nach zwei Wochen unermüdlicher Schreibtätigkeit krank wurde. Drei lange Tage schlossen sich ihre Hände um Teetassen, statt dass ihre Finger über die Tastatur flitzen. Das Fieber setzte sie ganze drei Tage ausser Gefecht gesetzt. Am vierten Tag nach ihrer Erkrankung sank die erhöhte Temperatur auf eine sanfte Glut, die Elli erlaubte, das Bett endlich wieder zu verlassen. Sie war so erleichtert darüber, sich von ihrem morbiden Zustand erholt zu haben, dass sie sich sofort Hals über Kopf in die Arbeit an ihrem Roman stürzte. Die Stirn in konzentrierte Falten gelegt, den Bildschirm im Fokus, bemerkte sie mitten im Schreibfluss etwas Warmes, Feuchtes zwischen den Schenkeln.
Elli erstarrte. Ihre Hände schwebten über der Tastatur im Leeren. Sekundenlang verharrte sie reglos, dann sprang sie so schnell auf, dass ihr Stuhl umkippte. Sie rannte ins Bad, streifte sich
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