Verbotene Nacht (German Edition)
zwischen Daumen und Zeigfinger rollte.
“Geht’s dir wieder besser?”
Elli nickte. Während ihrer Schreibwut hatte sie ihre eigene Müdigkeit überhaupt nicht bemerkt. Ihr Schreibrausch hatte wie eine Droge gewirkt. Nur dank ihrer Tante hatte sie erkannt, was ihr fehlte. Schlaf war genau das richtige Heilmittel gewesen. Nachdem sie acht Stunden geschlafen hatte, fühlte sich Elli wie neugeboren.
“Schön.” Lisa lächelte ein Lächeln, das Elli erwiderte. Einen Moment lang herrschte Schweigen, nur das Zirpen der Grillen war zu hören. Weder Elli noch Lisa wussten, wo sie anfangen sollten. Schliesslich ergriff Lisa das Wort. “Freust du dich? Auf das Baby, meine ich.”
Elli nickte. “Sehr”, sagte sie. Elli hörte, wie ihre Tante erleichtert aufatmete. “Das ist gut. Das ist das Wichtigste.”
Elli nickte, doch sie schwieg.
“Und… der Vater?”, erkundigte sich Lisa vorsichtig. “Freut er… sich auch?”
Elli dachte an Kyrill, dachte daran zurück, wie viel ihm daran lag, dass das Kind unter seinem Dach aufwuchs.
“Ich… ich denke schon”, murmelte sie leise.
“Aber du und der Vater”, setzte Lisa zögernd an, “ihr seid nicht zusammen?”
Elli schüttelte den Kopf.
Lisas umfasste Ellis Hand, drückte sie fest. “Ist es das, was dir Sorgen bereitet, Elli?”
Die sanften Worte ihrer Tante trieben Elli erneut Tränen in die Augen. Elli schalt sich im Stillen. Warum musste sie so verletzlich sein? Bestimmt waren die Hormone Schuld an ihren Stimmungsschwankungen.
Elli blinzelte heftig, zwang sich, die Tränen zurückzuhalten. “Was mir Sorgen bereitet”, klagte sie, ihre Stimme nicht mehr als ein Flüstern, “ist, dass er mir das Kind wegnehmen will.”
Lisa musterte Elli aus grossen Augen. Daraufhin erzählte Elli Lisa von der Drohung des Vaters ihres Kindes. Elli verlor jedoch kein Wort über Kyrills Identität und schwieg sich auch darüber aus, wie sie ihn kennen gelernt hatte.
“Bist du deshalb zurückgekommen? Um dich vor diesem Mann zu verstecken?”
“Ich versteck mich nicht vor ihm”, knurrte Elli ärgerlich.
Lisa schwieg. Sie musterte Elli nachdenklich.
“Ich weiss nicht, Elli. Wenn diesem Mann so viel an dem Kind liegt, wird er dich früher oder später ausfindig machen. Selbst hier, in dieser ländlichen Abgeschiedenheit.”
“Sag das nicht”, murmelte Elli bestürzt.
“Aber, Elli. Wie stellst du dir das vor? Du hast dich aufs Land zurückgezogen, hast damit fürs Erste den Kontakt zum Vater deines Kindes unterbunden. Aber so entschlossen, wie du ihn mir geschildert hast, wird er nicht so leicht aufgeben. Er wird nach dem Baby suchen, er wird nach
dir
suchen.”
Lisa warf Elli einen bedeutungsvollen Blick zu. “Du bist jetzt im vierten Monat schwanger, Elli. Wie stellst du dir das vor? Willst du ein Leben lang vor dem Mann davonlaufen?”
***
Lisa lag im Liegestuhl. Sie sass unter dem Schatten einer alten Eiche und blätterte in einer Zeitschrift, ohne sich richtig konzentrieren zu können. Sie gab ihre Lektüre auf, liess ihren Blick prüfend durch den Garten schweifen, musterte das Grün über den Rand ihrer dunklen Sonnenbrillengläser. Es war ein schöner Garten, ein kleines Paradies geschmückt mit Blumen, Büschen und Bäumen. Der Garten war nicht umzäunt, sondern ging nahtlos in die angrenzenden Wiesen und Felder über, wodurch er einem das Gefühl paradiesischer Weite vermittelte. In seinem bunten Kleid lockte er Lisas Gäste an und lud sie zum Verweilen ein. Für gewöhnlich machte es sich stets der eine oder andere Gast im Garten bequem. Um diese Uhrzeit aber, kurz nach dem Mittagessen, war Lisa ausnahmsweise die Einzige, die sich draussen aufhielt. Die einen Gäste hatten sich auf ihre Zimmer zurückgezogen, um Siesta zu halten, während andere sich für einen Nachmittagsausflug fertig machten. Wieder andere hatten ihr Programm bereits am Morgen aufgestellt und waren gleich nach dem Mittagessen verschwunden.
Lisas Gedanken wanderten zu Elli. Was ihre Nichte anbelangte - nun, sie sass wie immer auf ihrem Zimmer und schrieb. Lisa hatte gedacht, jetzt, wo das Manuskript fertig war, hätte Elli Zeit, um sich zu erholen. Sie hatte Elli schon zu sich in den Garten gerufen, worauf ihr Elli prompt erklärt hatte, sie hätte noch zu arbeiten. Die Rohfassung eines Manuskriptes sei bloss der Anfang, nun ginge die Arbeit erst richtig los. Es gelte, den Roman zu überarbeiten.
Lisa seufzte tief. Sie bewunderte Ellis Schreibkünste, hielt aber nicht viel von Ellis Lebensweise.
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