Verbotene Nacht (German Edition)
Es konnte nicht gesund sein, sich zwölf Stunden pro Tag auf seinem Zimmer zu verkriechen. Erst recht nicht auf dem Land, wo die Luft so wunderbar frisch war. Elli sollte die Gelegenheit nutzen, um lange Spaziergänge zu machen. Das würde ihr und dem Baby guttun.
Lisa seufzte erneut auf. Ihr Vorschlag würde bei Elli auf taube Ohren stossen, dachte sie resigniert. Sie würde Elli aber trotzdem nahe legen, einen Schritt aus dem Haus zu wagen. Schliesslich musste sie jetzt auch an das Baby denken. Zu viel Stress konnte Ellis Kind nicht guttun.
Auf ihre Zukunft angesprochen, hatte Elli ihr keine Antwort gegeben. Lisa hatte erkannt, dass ihre Nicht selbst nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Auch Elli musste einsehen, dass sie sich nicht ewig auf dem Land verstecken konnte. Früher oder später würde Elli mit dem Vater ihres Kindes eine Übereinkunft treffen müssen. Lisa hatte keine Ahnung, wer dieser Vater sein mochte, doch eines war ihr klar: Elli konnte ihr Kind seinem Vater nicht ein Leben lang vorenthalten, erst recht nicht, wo dieser Mann doch ein offensichtlich grosses Interesse an dem Baby zeigte. Elli würde sich dem Mann stellen müssen, würde mit ihm sprechen müssen.
Lisa schüttelte den Kopf. Erwachsene konnten manchmal so kompliziert sein.
Ein Motorengeräusch riss Lisa aus ihren Gedanken. Sie klappte ihre Zeitschrift zu und spähte über den Rand ihrer Sonnenbrillengläser. Ein grosser schwarzer Wagen näherte sich der Pension. Ein teurer Mercedes. Dies war nicht die Sorte Autos, die ihre Gäste fuhren. Lisa wollte den Blick schon abwenden, in der festen Überzeugung, dass der Mercedes an ihrer Pension vorbeifahren würde, als der Wagen plötzlich langsamer wurde. Lisas klappte vor Überraschung der Unterkiefer hinunter, als der Mercedes auf dem Parkplatz der Pension zum Stehen kam. Da hatte sich wohl jemand verfahren. Obwohl das hier draussen eigentlich schwierig zu bewerkstelligen war. Es gab nämlich nichts als eine einsame Landstrasse, die kilometerlang geradeaus führte, ohne dass die Strasse je zu einer Gabelung gekommen wäre. Als Lenker blieben einem nur zwei Möglichkeiten: Entweder man setzte seinen Weg fort oder kehrte dorthin zurück, wo man hergekommen war.
Lisa trat diensteifrig ins Haus und stellte sich hinter die Rezeption, um die gewünschte Auskunft zu erteilen. Erwartungsvoll blickte sie auf die breite Doppeltür, die in den Garten führte. Sie stand weit offen und lug zum Eintreten ein. Das Sonnenlicht flutete durch die Türflügel und warf ein Schattenspiel auf die Rezeption im Entree.
Vom Empfangstisch aus konnte Lisa beobachten, wie sich der Mercedesfahrer schnellen Schrittes ihrer Pension näherte. Sie musterte ihn unauffällig. Er war gross und schlank, aber kräftig gebaut. Er bewegte sich geschmeidig und agil, selbst mit dem schweren Koffer, den er hinter sich herzog. Ein Koffer, der darauf hindeutete, dass der Mann nicht zufällig hier gelandet war.
Lisa musterte seinen schwarzen Anzug und die Krawatte, ein Outfit, das so gar nicht zu einem Ferienaufenthalt auf dem Land passte.
Der Fremde trat durch die Doppeltür ins Entree und nahm seine Sonnenbrille ab. Stechende Augen legten sich auf Lisa. Einen Moment lang hielt Lisa unwillkürlich den Atem an. Grün-graue Augen musterten sie eindringlich. Das Entree schien durch die blosse Gegenwart des Fremden plötzlich gefährlich geschrumpft zu sein.
Dieser Mann hatte etwas… sehr Attraktives an sich.
Plötzlich wünschte sich Lisa, sie wäre zwanzig Jahre jünger. Wäre sie im selben Alter wie der Unbekannte gewesen, den sie auf vierzig schätzte, so hätte sie sich jetzt vielleicht auf einen kleinen Flirt eingelassen.
Lisa blinzelte, als ihr bewusst wurde, welchen Weg ihre Gedanken gerade eingeschlagen hatten. Was für ein Unsinn, schalt sie sich stumm. “Tag.”
Erst, als er über den Empfangstisch lehnte, sah Lisa, wie müde er war. Schwere Ringe lagen unter seinen Augen.
“Guten Tag. Kann ich Ihnen behilflich sein?”
“Haben Sie noch ein Zimmer frei?”
Er wollte tatsächlich ein Zimmer. Lisa versuchte schnell, ihre Überraschung zu überspielen. “Gewiss doch. Es stehen Ihnen sogar mehrere zur Auswahl. Ein Eckzimmer mit viel Sonnenlicht, ein kleines Schlafzimmer, oder ein grosses, luxuriöses…”
“Einfach ein Zimmer, bitte”, knurrte der Fremde schroff.
Lisa starrte ihn gekränkt an.
“Tut mir Leid”, brummte der Fremde. “Ich habe seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen.”
Wie um seine Worte zu
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