Verbotene Nächte - Kent, A: Verbotene Nächte - The Shaughnessey Accord (02 Spies)
der Professor zu Ihrer Rechten seinen Gürtel auszog, während sich Tripp zu ihrer Linken aufrichtete. Ihr war klar, dass sie in der Patsche saß, aber das war ihr egal. Wenn sie auf diese Weise ihr Leben beenden musste, dann sollte es wohl so sein. Sie wollte nur noch diese alberne Belagerung ihres Ladens beendet sehen.
Und dann begann Danh mit einem Mal zu lachen, ein Kichern, das zum Teil der Verzweiflung entsprang, zum Teil Bewunderung ausdrückte und auch einen gro ßen Teil Unglauben enthielt. Als er endlich sprach, rief er einen seiner Leute in seiner Muttersprache zu sich und erteilte ihm Befehle, ohne auch nur ein einziges Mal den Blick von ihr zu nehmen.
Sie ignorierte den Professor, der ihr seinen Gürtel hinhielt, wandte sich Hilfe suchend an Tripp und formulierte in Lippensprache: Was jetzt ?
Er warf einen kurzen Blick zum Professor hinüber und nickte kaum merklich, bevor er sie wieder ansah und ebenfalls in Lippensprache antwortete: Toilette .
Er wollte, dass sie auf die Toilette ging. Er wollte sie hier raus haben. Wahrscheinlich hatte er einen Plan und schickte sie aus der Gefahrenzone. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als hier wegzukommen, hatte aber irgendwie auch das Gefühl, bleiben zu müssen. Offensichtlich hatte sie ja gerade eine Art Glückssträhne.
Sie atmete einmal tief durch und trat vor, bevor sie der Mut verließ. Doch sie brachte nur ein »Mr. Vuong« heraus, bevor sie sein Komplize am Oberarm packte und sie zur Tür zerrte.
»Was ist los? Was tun Sie da?«
»Ich glaube, Sie sollten sich ein wenig frisch machen, Miss Brighton, und das Verhandeln den Männern überlassen.«
Das war alles, was sie hörte.
Sekunden später wurde sie in die Damentoilette geschubst und die Tür hinter ihr zugeknallt.
10
Glory umfasste den Rand des weißen Porzellanbeckens und ließ den Kopf hängen. Ein Teil von ihr wäre am liebsten heulend zusammengebrochen, ein anderer Teil war sich nicht sicher, ob sie jemals wieder würde weinen
oder überhaupt jemals wieder einen Grund dazu haben können.
Wenn sie nach allem, was ihr widerfahren war, nach der schrecklichsten Erfahrung ihres ganzen Lebens, nicht in der Lage wäre, echte Tränen zu vergießen, dann stimmte wirklich etwas nicht mit ihr.
Ihre Augen brannten. Blinzeln war unmöglich. Aber es kam nichts. Keine Reaktion. Hier stand sie nun, war für den Moment in Sicherheit, und dennoch wollten die Tränen, die ihr zuvor in die Augen gestiegen waren, jetzt nicht mehr fließen.
Wahrscheinlich hatten alle Argumentationen und die Versuche, logisch zu denken, jegliche emotionale Reaktion im Keim erstickt. Sie schnaufte. Bei all den Ereignissen hätte sie doch wenigstens eine Antwort auf diese eine brennende Frage verdient.
Wer zum Teufel war Tripp Shaughnessey?
Sie ging gerade all die Möglichkeiten in Gedanken durch, als sie über sich ein leises Kratzen an den Deckenplatten vernahm. Sie blickte langsam nach oben, verharrte dabei absolut regungslos, und nur ihre Augen suchten im Spiegel den kleinen Raum hinter sich ab.
Eine Deckenplatte bewegte sich, wurde aus dem Rahmen gelöst. Eine zweite folgte, bis ein klaffendes, schwarzes Loch in der Ecke nahe der Tür entstanden war. Sie erstarrte, bewegte nicht einmal mehr die Augen und sah, wie ein mit Tarnfarbe beschmiertes Gesicht in der Öffnung auftauchte.
Ihr Herz überschlug sich. Sie versuchte, ihre Angst
hinunterzuschlucken, wäre jedoch beinahe daran erstickt. Ihre Handflächen, die das kühle Porzellan des Beckens umklammert hielten, begannen zu schwitzen.
Der Mann legte einen Finger an seine Lippen und bedeutete ihr, still zu sein, woraufhin sie nickte und wie hypnotisiert zusah, wie er erst verschwand, dann mit den Füßen zuerst wieder auftauchte und hinter ihr auf dem Boden landete.
Sie drehte sich um, als ein zweiter Mann folgte, der sich kaum von dem ersten unterscheiden ließ und die gleiche Tarnung trug. Er sprach ebenfalls kein Wort und rührte sich nicht, als ein dritter Mann auftauchte.
Dieser hatte schwarze Haare, die im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. Au ßerdem schien er das Kommando zu haben, denn er war der Einzige, der sprach. »Geht es Ihnen gut?«
Sie nickte.
»Ist jemand verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf.
Er schien damit zufrieden, denn er presste die Lippen zusammen und fragte dann: »Wo ist Tripp?«
»Im Lagerraum«, flüsterte sie, und damit war ihre brennendste Frage beantwortet. Als ob jemals ein Zweifel daran bestanden hätte.
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