Verbotene Sehnsucht
James, den sie in ihrer Jugend gekannt hatte, war nicht mehr als eine ferne Erinnerung; jetzt hatte sie es mit einem launischen Fremden zu tun, einem nicht weniger leichtlebigen und sündhaft attraktiven, aber zugleich erheblich bedrohlicheren Mann.
» Was hast du hier zu suchen?« Die knappe Frage schnitt scharf wie ein Messer in ihre grüblerischen Gedanken.
Sie trat einen Schritt vor, woraufhin James sich unwillkürlich beinahe bis in die Halle zurückzog. Es machte fast den Eindruck, als fühle er sich bedroht durch ihre Gegenwart.
Sein Unbehagen ließ sich förmlich mit Händen greifen. Missy raubte ihm den letzten Nerv. Weil sie Macht über ihn besaß und das auch ganz genau wusste. Nach all den Jahren, in denen sie sich hoffnungslos nach ihm gesehnt hatte, begegneten sie sich jetzt auf Augenhöhe, nachdem er schwach geworden war.
» Ich dachte schon, dass du den Salons den Rücken gekehrt hast. Es brodeln allerlei Gerüchte.« Das konnte kaum als Einleitung zu der geplanten Entschuldigung gewertet werden, aber die hatte ja noch Zeit. Schließlich durfte ihr Besuch kein allzu rasches Ende finden. Deshalb wollte Missy die Entschuldigung so lange wie möglich hinauszögern.
» Mit anderen Worten, du bist hergekommen, um sicherzugehen, dass es mich noch gibt. Dabei hast du mich erst vor ein paar Stunden gesehen. Du hättest also nicht bei mir aufkreuzen müssen.« Er stellte sich noch breitbeiniger hin und verschränkte die Arme vor der Brust.
Missy fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. » Deswegen bin ich nicht hier.«
James folgte ihrer Zunge wie hypnotisiert mit den Augen, biss die Zähne fest zusammen. Auf dem Weg zur Anrichte machte er einen großen Bogen um sie, doch sie glaubte gesehen zu haben, wie seine Hand zitterte, als er sich aus der Karaffe einen Drink einschenkte.
» Um Himmels willen, dann verrate mir endlich, was dich hergeführt hat, damit du schnell wieder deiner Wege gehen kannst.« Seine Stimme war nur noch ein leises Brummen, und er kehrte ihr den Rücken zu, während er einen großen Schluck trank. Erst dann drehte er sich langsam zu ihr um.
Vorsichtig kam Missy näher. Seine Miene wurde noch härter, sein Gesicht wirkte wie aus Granit gemeißelt, starr und kalt, und sein Kiefer begann zu zucken. Mit aller Macht musste sie den Impuls unterdrücken, ihn zu berühren, ihm über die Wange zu streichen, doch sie presste die Hände fest gegeneinander.
» Ich habe mich noch nicht bei dir entschuldigt«, meinte sie sanft, » für mein Benehmen beim Abendessen letzte Woche. Ich wollte es heute tun, als du zu Besuch kamst, aber…«
Er warf ihr einen unfreundlichen Blick zu. » Ja, du warst anderweitig beschäftigt. Hattest Besuch, der unterhalten werden wollte. Erzähl einmal, hat der ehrenwerte Lord Granville nun endlich um deine Hand angehalten? Stehe ich der künftigen Countess Granville und späteren Duchess of Stafford gegenüber?« James trank erneut einen ordentlichen Schluck, bevor er das Glas unsanft auf das dunkle Holz der Anrichte stellte und sich erneut von dem Scotch einschenkte.
Als Antwort auf seine Frage wandte Missy den Blick ab. Ihr Gesicht glühte vor Hitze. Er lachte unfroh auf, als er ihre Beschämung bemerkte.
» Soll ich das als Antwort verstehen?«
Missy begriff, dass er einen Streit vom Zaun brechen wollte. Aber dafür hatte sie sich nicht zu ihm bemüht. Sie war gekommen, weil… Ja, warum eigentlich? Weil sie nicht in der Lage war, sich selbst zu helfen.
» Ich habe ihm erklärt, dass ich ihn nicht heiraten will. Vielleicht bin ich noch nicht bereit für die Ehe.« Das gilt ganz bestimmt, solange ich dich nicht heiraten darf.
Er lachte finster. » Ja, vielleicht bist du noch nicht bereit für die Ehe, für etwas anderes jedoch sehr wohl.« Sein hitziger Blick traf sie, als er an ihr vorbeieilte und sich in den braunen Armsessel warf.
Um nicht alles noch schlimmer zu machen, verzichtete sie auf eine Erwiderung, setzte sich stattdessen ihm gegenüber auf die Sofakante, die Finger sittsam auf dem Schoß verschränkt. James beobachtete sie mit grüblerischem Schweigen.
» Wie gesagt, ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen. Es tut mir schrecklich leid, wie kindisch ich mich benommen habe. Eigentlich wollte ich mich schon früher entschuldigen, aber wie gesagt… Du hast dich sehr rar gemacht in der letzten Woche.«
» Ach ja, Sophia hat mir erzählt, dass du ihr einen Entschuldigungsbrief mit Blumen geschickt hast. Du hättest mir ebenfalls eine
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