Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
die Erwähnung des Namens gab ihr Kraft. »Wir gehen nach Blackhill, John. Über alles andere können wir später sprechen. Aber jetzt bleibt uns keine Zeit dazu.«
»Eine Flucht wie einst Cynthia und Anthony Aylesham. Aber so glücklich wird sie nicht verlaufen. Ich bin kein Lord Aylesham,
der auch dann noch auf die Füße fällt, wenn er schon den Todesstoß erhalten hat!«
»Gut, das werden wir sehen. Nimm meine Hilfe zu deiner Flucht als Dank für Cynthias Rettung, wenn es nicht anders geht. An jenem Abend vor vier Jahren habe ich um sie gezittert, und sie hätte ihre Freiheit verloren, wärest du nicht gewesen.«
»Lord Carmody, der Held«, murmelte John, aber immerhin stand er endlich auf.
»Dann laß uns gehen«, sagte er. »Siehst du, das ist gut an der Armut. Wir müssen uns nicht von wertvollem Besitz trennen, sondern nur von einer Wohnung, deren Miete wir seit vier Monaten nicht bezahlt haben!«
Sie sprachen kein Wort mehr, als sie mit Benny aus dem Haus schlichen. Draußen regnete es schon wieder, doch dafür hielt sich auch niemand in den Gassen auf, vielleicht blieben auch die Diebe in ihren Schlupflöchern. Selbst für arme Leute war es nicht ungefährlich, zu dieser Stunde auf der Straße herumzulaufen.
Es gab keinen Fleck in London, den John nicht kannte. Schon nach kurzer Zeit hatten sie einen Stall gefunden, in dem Pferde oder Kutschen vermietet wurden. Der Besitzer, der schnarchend im Heu lag, fuhr erschrocken in die Höhe, als plötzlich zwei Fremde vor ihm standen und ihn wach rüttelten.
»Um Himmels willen, es ist mitten in der Nacht!« rief er. »Was wollen Sie?«
»Wir brauchen einen Wagen und ein Pferd«, sagte John, »und wir wollen beides kaufen.«
Der Mann musterte mißtrauisch seine zerlumpte Kleidung. »Haben Sie denn Geld?«
John griff wortlos in seine Tasche und holte ein Bündel Geldscheine hervor. Elizabeth hielt den Atem an vor Überraschung.
»Das wird wohl reichen!« meinte John. Der Mann nickte.
»Ja, o ja, Sir. Natürlich. Kommen Sie!«
Er führte die beiden zu den Pferden. John wählte sehr sorgfältig ein besonders kräftiges Tier aus und erstand dazu einen einfachen, offenen Holzwagen, wie ihn die Bauern für die Ernte benutzten. Der alte Besitzer ließ sich das verlangte Geld in die
schmutzige Hand zählen und half dann diensteifrig, das Tier anzuspannen. John hob Elizabeth und Benny auf den Wagen, kletterte selbst hinterher, ergriff die Zügel, und schon ratterte das Gefährt über die unebenen Straßen durch die Dunkelheit davon. Elizabeth klammerte sich neben John an ihren schwankenden Sitz.
»Woher hattest du so viel Geld?« fragte sie.
»Ich konnte arbeiten in den letzten Tagen«, entgegnete John, »und ich habe alles gespart, weil ich dachte, du würdest vielleicht einen guten Doktor brauchen.«
Elizabeth war ganz bewegt.
»Seltsam, daran habe ich gar nicht gedacht. Aber was hätten wir tun sollen, wenn wir kein Geld gehabt hätten?«
»Wir hätten das Pferd und den Wagen stehlen müssen. Aber das wäre ziemlich schwierig gewesen.«
Sie kamen gut voran und verließen schon bald die Stadt. Elizabeth bemerkte, wie angegriffen und erschöpft sie noch war. Trotz der Aufregung, trotz Regen und Kälte fielen ihr fast die Augen zu, und schließlich kletterte sie in den hinteren Teil des Wagens, wo sie sich auf dem Holz ausstreckte, um zu schlafen. Die Stöße des unebenen Weges taten ihr überall im Körper weh, aber irgendwann tief in der Nacht schlief sie doch ein.
Am nächsten Morgen schien die Sonne. Ein klarer, warmer Frühsommertag stieg herauf, mit blauem Himmel und vielen summenden Bienen in den Wiesen. Das Pferd trottete noch immer gleichmütig über regenfeuchte Feldwege, aber John sagte, es müsse endlich einmal für kurze Zeit ausruhen. Sie ließen es auf der Wiese grasen, während sie selbst hungrig am Wegesrand saßen, Elizabeth einigermaßen munter und gestärkt, John so müde, daß er, als er einen Augenblick lang seinen Kopf gegen Elizabeths Schulter lehnte, einschlief. Sie weckte ihn nicht, sondern blieb unbeweglich. Merkwürdigerweise ließ der friedliche Morgen langsam steigende Unruhe und Furcht in ihr wach werden. Eine Ahnung von Gefahr, von lautlos sich näherndem Unheil. Zu leicht, zu schnell hatte sich die Flucht vollzogen, trotz Johns langer, verzögernder Unentschlossenheit. Wenn sie verfolgt
wurden? Sie betrachtete sein im Schlaf entspanntes Gesicht und dachte, daß es ihm wirklich gleichgültig war, was geschah. Ihretwegen
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